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Bundesgericht pfeift Churer Verwaltungsgericht zurück – Erfolg für Avenir50plus

Heidi Joos vertrat vor dem Churer Verwaltungsgericht (VG) die Interessen eines Sozialhilfebeziehenden, der, gehetzt von den Behörden, zur Sommerzeit 2020 im Spital landete. Da während den Gerichtsferien kein Anwalt verfügbar war – das Geschehen selbst sehr facettenreich und kaum lukrativ für einen Anwalt, stellte sie beim Verwaltungsgericht als Nichtjuristin Antrag auf Vertretung. Nichtjuristen dürfen Personen nur auf Verwaltungsebene vertreten, es sei denn, das Gericht gewährt die Ausnahme. Und das tat es. In der Folge kam es zu einem langfädigen Schriftverkehr zwischen der angeklagten Gemeinde und der Klägerpartei. Im daraus resultierenden Urteil sprach das Gericht überraschend Heidi Joos das Recht zur Vertretung der Interessen des Sozialhilfebeziehenden ab. Somit stellte sich das Gericht auf die Seite der angeklagten Gemeinde, die das ebenfalls einforderte und ersparte sich damit eine inhaltliche Rechtsprechung.

Der Sozialhilfebeziehende zog das Urteil unter Mithilfe von Heidi Joos und einem Anwalt an das Bundesgericht weiter. Mit Urteil vom 12. Juli 2022 wies das Bundesgericht den Fall zurück an das Churer Verwaltungsgericht zur Neubeurteilung. Es mute schon fast zynisch an, so die deutlichen Worte der Bundesrichter, wenn im angefochtenen Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts noch darauf hingewiesen wird, der Mangel wäre behoben gewesen, wenn Heidi Joos die Eingabe vom Sozialhilfebeziehenden hätte unterschreiben lassen. Dazu muss man wissen: Bei einem Mangel ist das Gericht verpflichtet, die Parteien darauf aufmerksam zu machen und entsprechend eine Nachbesserungsfrist einzuräumen. Das jedoch unterliess das Gericht, weil, so darf vermutet werden, es zu diesem Zeitpunkt von der Rechtmässigkeit des Vertretungsrechtes ausging. Heidi Joos darf den Sozialhilfeempfangenden in dieser Sache nun weiter vertreten. 

Das Verwaltungsgericht Chur hat nun die Sachlage neu zu beurteilen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die Interessen des Sozialhilfebeziehenden obsiegen.  Hier zum Urteil 

 

BLICK schummelt bei Arbeitslosenzahlen von Älteren

Gemäss Sonntagsblick vom 4.9.2022 sei die Arbeitslosenrate der 50 bis 64-Jährigen erfahrungsgemäss tiefer als bei Jüngeren. Der Faktencheck zeigt: Die weitaus höchste Arbeitslosenrate liegt mit 3.1 Prozent bei den 60 bis 64-Jährigen. Den Fokus auf positive Beispiele der Arbeitsintegration zu legen, ist erlaubt, aber bitte mit einer korrekten Wiedergabe der Fakten. Olena Zaugg, Geschäftsführende Avenir50plus Bern sei selbstverständlich  gratuliert für ihren Wiedereinstieg. 

Gemäss ILO-Statistik, bei der die Ausgesteuerten auch mitgezählt werden, zeigt sich im Vergleich der Gesamtzahlen von Juni 2022 mit Juni 2019 ein Rückgang. Nicht so im Vergleich bei den 50 bis 64-Jährigen (Juni 2019: 31’000, Juni 2022: 34’000).   Hier zum Sonntagsblick-Artikel 

 

Jubiläumsfeier Avenir50plus Schweiz: Ein stimmiger Anlass

Am 20. August feierte der Verband sein 10-jähriges Jubiläum in Luzern. Rund 80 Personen folgten der Einladung. Nebst Wortbeiträgen verblieb das grösste Zeitfenster dem persönlichen Austausch, dem Kulinarischen und Musikalischen. Rundum eine friedliche Stimmung, auch wenn immer noch einige auf Zusagen von Stellen hoffen.

Die ersten Wortbeiträge waren bewusst Betroffenen und ihrer Perspektiven gewidmet: Hansruedi, der Vollblutmusiker, der nach 30 Jahren Musikunterricht in die Sozialhilfe abrutschte, weil die Verträge der Musikschule nicht zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigten, Anna, die Geflügelzüchterin, die eigentlich anders heisst, ihr Glück nach einer Durststrecke als schlecht bezahlter Knecht – alsbald ersetzt von einer polnischen Arbeitskraft – doch noch fand und Köbeli, der Martin seine Geschichte der Entlassung und seinem Rezept erzählt, wie er im Alter 55plus doch noch einen Job fand.

Heidi Joos, Geschäftsführerin von Avenir50plus Schweiz liess anschliessend Bilder der letzten 10 Jahre über politische Aktionen aufleben, bevor dann alt Nationalrat Rudolf Strahm zu einem Schlusswort ansetzte. Dank seiner Interpretation der VOX-Analyse wurde 2014 nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative öffentlich, dass vor allem die 50 bis 65-Jährigen dieser Initiative zugestimmt haben. Aus seiner Sicht zeigte das Resultat klar, dass die älteren Arbeitnehmenden zu Recht in Sorge um die Verdrängung durch jüngere und billigere Arbeitskräfte aus dem Ausland waren. Sein steter Mahnfinger in Richtung der Politischen Elite, diese Interessen doch ernst zu nehmen, half zumindest mit, dass einige Massnahmen für Ältere umgesetzt wurden.

Einen Redner der SVP zu finden, der die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sowie die Begrenzungsinitiative kommentiert hätte, war leider aufgrund der am gleichen Tag abgehaltenen Delegiertenversammlung der SVP nicht möglich. Schade, denn die SVP hat indirekt dazu beigetragen, dass die Bürgerlichen und Linken sich gezwungen fühlten, den Älteren quasi als «Zückerli» u.a. die Überbrückungsleistung 60plus zu gewähren.

Viele Postulate der letzten 10 Jahre blieben unerfüllt, doch Avenir50plus Schweiz bleibt vorläufig weiterhin dran, benötigt aber dringend mehr Mitstreitende, die entweder bei der Beratung oder den Arbeiten der Geschäftsstelle mithelfen.


Danke allen für Wertschätzung unserer Arbeit in Form der Standing-Ovation. 

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SRF: Ausgesteuerte haben es bei der Jobsuche schwer

Trotz der aktuell tiefen Arbeitslosigkeit bleiben die Eintrittshürden für einen Job bei Ausgesteuerten hoch. Mit einer guten Ausbildung könnten Erwerbslose ihre Chancen jedoch erhöhen, in den Arbeitsmarkt reinzukommen.  Zum Beitrag

Offener Brief an Bundesrat: Einführung Teuerungsausgleich für ALV

Wirtschaftssanktionen und Kriegstreiberei lassen alles teurer werden

Sehr geehrter Herr Parmelin

Wie u.a. aus der NZZ vom 5. Juni 2022 hervorgeht, gedenkt der Bundesrat im Hinblick auf die steigende Inflation Korrekturen vorzunehmen, namentlich Erhöhungen der Beiträge für Beziehende von Ergänzungsleistungen oder andere Leistungen für Menschen mit geringem Einkommen. Avenir50plus Schweiz findet das höchst erfreulich, vor allem dann, wenn den Worten auch Taten folgen. Diese Gruppe von Menschen hat bereits unter den Corona-Massnahmen finanziell am meisten gelitten.
 
Keine Erwähnung fand seitens des Bundesrates die Arbeitslosenversicherung, die keinen Teuerungsmechanismus kennt, und die dem Wirtschaftsdepartement zugeordnet ist im Gegensatz zu den Ergänzungsleistungen. Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung liegen heute bei 70 bis 80 Prozent des versicherten Lohnes. Die Bemessungsgrundlage liegt zwei Jahre zurück ohne Berücksichtigung des zwischenzeitlich erfolgten Teuerungsausgleichs. Das reduzierte Einkommen inkl. der Wartetage treibt bereits heute viele Beziehende der Arbeitslosenversicherung in tiefe Not. Vor allem auch Ältere, die aufgrund von Zwischenverdiensten neue Rahmenfristen erhalten haben, die den versicherten Lohn nochmals schmälern.
 
Im Herbst müssen wir zusätzlich mit einer Verteuerung der Prämien der Krankenkassen von 5 bis 10 Prozent rechnen. Auch die Inflationsrate wird aufgrund von Wirtschaftssanktionen und Lieferengpässen die Drei-Prozent-Rate demnächst überschreiten. Aus unserer Sicht ist dringend Handlungsbedarf gegeben, im Sinne einer einmaligen Abgeltung an Versicherte der Arbeitslosenkasse ab dem Zeitpunkt, wo die Teuerung 3 Prozent überschreitet. Zu überlegen gilt es sich, bis zu welcher Höhe des versicherten Lohnes diese auszurichten ist.
 
Zudem sollen die gesetzlichen Grundlagen für einen automatischen Teuerungsausgleich bei der Arbeitslosenversicherung unverzüglich an die Hand genommen werden, um bei den Betroffenen das Schlimmste zu verhindern.

Wir danken für die Kenntnisnahme.

Download PDF Offener Brief an Bundesrat Barmerin 

Erfolg für Avenir50plus:Basel-Landschaft soll Arbeitslosen und Ausgesteuerten 60plus mit kantonaler Überbrückungsleistung absichern

Der Baselbieter Landrat will ausgesteuerten Personen ab 60 Jahren eine zusätzliche Überbrückungsrente garantieren und so Altersarmut im Kanton entgegenwirken. Älteren und Arbeitslosen soll so der Gang zum Sozialamt erspart werden. Auf Bundesebene ist seit zehn Monaten ein solches Gesetz in Kraft, doch der Kanton soll eine kantonale Brückenleistung zusätzlich zur nationalen Überbrückungsrente gewähren. Die Regierung muss nun einen Bericht ausarbeiten. Das entschied das Parlament überraschend aufgrund der Petition «Kantonale Brückenleistung statt Sozialhilfe für 60plus», die Avenir50plus im Dezember 2021 bei Regierung und Parlament einreichte.                                                                                                                                                                                                                              Weiterlesen BAZ…

Avenir50plus reichte im Dezember 2021 mit total 3500 Unterschriften bei den Kantonen Aargau, Baselland, Basel-Stadt, Bern, Luzern, Zürich und St. Gallen Petitionen für eine kantonale Brückenleistung für alle Erwerbslosen im Alter 60plus ein. Im Gegensatz zur Brückenleistung des Bundes, die von Beginn weg mit ihren viel zu restriktiven Anspruchsvoraussetzunen als Rohrkrepierer konzipiert wurde, sollen die kantonalen Leistungen, wie sie Avenir50plus fordert, auch all denjenigen im Alter 60plus zugutekommen, die bereits vorher ausgesteuert wurden oder aus der Selbständigkeit heraus ihre Arbeit verloren haben.

Von den bis Ende März 2022 rund 600 eingereichten Gesuchen für eine Bundes-Überbrückungsleistung erhielten nur gerade ein Drittel eine Zusprache. Der grössere Teil der älteren Ausgesteuerten bleibt der Gang auf die Sozialhilfe damit nicht erspart. Gemäss Avenir50plus Schweiz soll sich das ändern.
 
Stand der Regierungs- und Parlamentsberatungen vom 10. Mai 2022: 
Die Petitionskommission Basel-Stadt, bei der Avenir50plus das Anliegen ebenfalls vertreten durfte, hat noch keinen inhaltlichen Entscheid gefällt. Auf Anfrage heisst es, dass die Petition wahrscheinlich in der Juni-Session (22./23.6.) behandelt wird. Auch in Luzern durfte Avenir50plus die Petition vor der Kommission vertreten. Deren Stellungnahme ist noch nicht öffentlich. Voraussichtlich wird diese ebenfalls im Juni vom Luzerner Kantonsrat behandelt. Im Kanton Zürich wurde die Petition an der Sitzung der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit am 3. Mai behandelt. Das Ergebnis ist noch geheim. Die Regierung des Kantons Aargau machte es sich die Antwort sehr einfach. Ohne das Parlament einzubeziehen, obwohl das Anliegen auch an dieses gerichtet war, entschied sich diese für zuwarten, bis die Auswirkungen Überbrückungsleistung des Bundes in einem Bericht vorliegen, was erst in fünf Jahren der Fall sein wird. Regierungen und Parlament der Kantone St. Gallen und Bern haben sich zum Anliegen der Petition noch nicht geäussert. Wir bleiben dran.

Grosse Not an preiswerten Wohnungen in Zürich ­– Und niemand tut etwas

(HJ) In Zürich eine preiswerte Wohnung zu finden, wird immer unwahrscheinlicher. Stress pur für Suchende, noch schlimmer für vulnerable Personen. Organisationen wie Pro Infirmis, Caritas, Rotes Kreuz und Sozialämter kennen die Schwierigkeiten, belassen es aber bei der Feststellung. Avenir50plus ruft die Politik dringend auf, dieses Drama mit geeigneten Lösungen zu beenden. 

Ein Beispiel unter vielen: Monika H.*, die aufgrund einer Autoimmunkrankheit nach einem langen Arbeitsleben von Sozialhilfe lebte, bevor ihr eine Teil-IV-Rente zugesprochen wurde, erhielt kürzlich die Kündigung ihrer Wohnung. Sie lebt in einer Liegenschaft in der Agglomeration von Zürich, deren Anteil an Ausländern in den letzten zwanzig Jahren stetig stieg. Verbunden damit auch die Zunahme an Lärmimmissionen. Als sie reklamierte und die Polizei einschaltete, kündigte die Verwaltung der langjährigen Mieterin.

Einerseits prozessiert sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes gegen das IV-Urteil, denn mit ihren verkrüppelten Gliedmassen und der psychischen Instabilität wird sie nicht mehr arbeiten können. Ihre Einnahmen (EL: 866.- , IV: 966.-, Versicherung: 474.- ), mit denen sie ein Mietzins von 1’369 Franken zu berappen hat, lassen keine Ersparnisse zu. Andrerseits handelte sie sich bei der Anmeldung zur Sozialhilfe durch das Versäumnis der Sozialbehörden Steuerschulden ein, die zu einem Eintrag ins Betreibungsregister führten. Das Sozialamt, das der Steuerbehörde eine Bestätigung hätte schreiben müssen, verweigerte dies mit dem Hinweis, dass sie dafür nicht mehr zuständig seien (!). Auf die Suche einer Wohnung wirkt sich dieser Eintrag zusätzlich erschwerend aus. 

In ihrer Verzweiflung wandte sich Monika H. an die Beratungsstelle von Avenir50plus, denn diese half ihr bereits einmal bei der Durchsetzung eines Anliegens gegenüber der Sozialhilfe. Nachdem sie über Monate auf dem Sofa schlafen musste, erhielt sie endlich ein Bett zugesprochen. Avenir50plus erkundigte sich unverzüglich bei allen oben genannten Stellen nach Hilfsangeboten vor Ort. Das Sozialamt kennt die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Ein Kürsli «Wie bewerbe ich mich richtig» bleibt das einzige Angebot. Auch das Rote Kreuz kennt das Problem, doch es fehlt auch da an einem Angebot. Bei der Caritas liess sich erfahren, dass sie über ein Hilfsangebot verfügt, doch dies sei vertraglich an die Stadt Zürich gebunden. Von der IV wollten wir wissen, ob sie Hilfestellungen finanzieller Art bei einem Umzug leisten. Einmal abgesehen von der Kaution kostet ein Umzug rund 2’000 Franken. Ein höhnisches Nein war die Antwort. Wäre Monika H. noch Sozialhilfebeziehende, so müssten die Behörden gerade stehen für diese Kosten, nicht aber die IV. Wäre sie über 60 Jahre, könnte sie von der Pro Senectute Hilfe erwarten, doch für IV-Beziehende im fortgeschrittenen Alter wie Monika H. gibt es keinen roten Rappen.

Kaum verwunderlich, wenn sich bei Monika H. gelegentlich Suizidgedanken einschleichen und wenn es bei ihr schlecht ankommt zusehen zu müssen, wie Flüchtlinge aus der Ukraine umsorgt werden und kostenlos in der ganzen Schweiz herumreisen dürfen, während sie, die über viele Jahre Steuern zahlte, im Alter und mit ihrem Krankheitszustand  allein gelassen wird mit ihren Nöten.

Avenir50plus Schweiz bleibt an der Seite von Monika H., aber es gibt zu viele Schicksale ähnlicher Art, als dass sich die Politik da raushalten könnte.
* Der Name wurde geändert, ist Avenir50plus Schweiz jedoch bekannt.

Leerwohnungsziffer im Kanton Zürich

Ein vorbildliches Wohncoaching bietet die Stadt Luzern an:

Freiwilligenarbeit als Wohncoach
Die Stadt Luzern sucht Freiwillige, welche Menschen, die in einer instabilen Wohnsituation leben oder von Wohnungsverlust bedroht sind, begleiten und unterstützen. Dabei geht es vor allem darum, den Hilfesuchenden zur Seite zu stehen, damit diese nicht alleine mit der oft aussichtslos scheinenden Situation umgehen müssen. Durch Anleitung und Hinführung zu möglichen Aktivitäten im Bereich Wohnungssuche sollen die Hilfesuchenden gezielt unterstützt werden.

Wer braucht einen Wohncoach?
Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt Luzern mit knappen Ressourcen, die in einer instabilen Wohnsituation leben, v. a. Familien auf engem Wohnraum, aber auch Einzelpersonen mit spezifischen Wohnungszugangsproblemen (z. B. Suchtproblematik, Ausländerstatus, psychische Probleme usw.).

ALV: 90’000 Personen pro Jahr sanktioniert – Kosteneinsparungen von 240 Mio. Franken

Die Schweizer Arbeitslosenversicherung gehört zu den grosszügigsten in Europa. Aber sie ist auch eine der strengsten. Beim geringsten Verstoß kann der Arbeitssuchende bis zu drei Monate ohne Einkommen dastehen, weil er eine Sanktion erhalten hat. Es spielt keine Rolle, dass er in gutem Glauben ist und sich unterhalb des Existenzminimums befindet.

RTS 1 Beitrag vom 7.4.2022 von Raphel Engel. Übersetzung Suzanne Graf  Zur Sendung

Beispiel eines Bauzeichners, Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, Ehemann einer behinderten Frau, arbeitet deshalb im 50% -Pensum, verlor seine Stelle, bekommt CHF 120.—Taggeld / Arbeitstag, die ALK auferlegt ihm jedoch gnadenlose Sanktionen, falls er seinen Pflichten nicht nachkommt. So wurde ihm in Neuenburg eine Stelle zugeteilt. Dies hätte lange Arbeitswege, Zeitaufwand bedeutet, was wegen seiner familiären Situation unzumutbar war. Dann reichte er seine Stellensuchnachweise 2 Tage zu spät ein. Dies wurde mit 5 Einstelltagen bestraft. Weitere Bestrafungen aus demselben Grund. Stellen für Bauzeichner seien rar und somit auch schwierig die Abgabetermine einzuhalten. Auch könne es doch immer wieder Situationen geben, welche eine Termineinhaltung für die Einreichung der Stellensuchnachweise verunmöglichten. Frage des Journalisten: «Hat ihnen die ALV geholfen, wieder auf die Beine zu kommen?» Der Arbeitsuchende Familienvater lacht zynisch. «Welche Frage! Die ALV ist nicht dafür da, uns zu helfen, sondern dafür, uns zu sanktionieren, damit sie mich möglichst schnell von der AL-Liste streichen können!»

Es gibt drei Sanktionskategorien:

  1. Bei leichten Vergehen 1 bis 15 Tage
  2. Bei mittleren Vergehen 16 bis 30 Tage
  3. Bei schweren Vergehen 31 bis 60 Tage

Beispiele von Vergehen: Mangelnde Anzahl Bewerbungen, Verspätung bei Einreichung des Bewerbungsnachweises, Verlassen einer Stelle/Temporär Stelle, Ausschlagen einer zugeteilten Stelle, welche von der ALV als zumutbar taxiert wurde, auch wenn es sich nur um eine temporäre Stelle handelt.

Willkommen im Land, in dem das Arbeiten gelobt, Stellensuche jedoch bestraft wird.

Trialogue, eine Genfer Organisation, gegründet von freiwilligen Anwälten, Tel. 022 340 64 80, leistet Hilfe. 

Ein Beispiel wird erzählt: Einem motivierten Stellensuchenden wird eine Stelle zugeteilt, die jedoch überhaupt nicht seiner früheren Tätigkeit entspricht. Von einem Tag auf den anderen sollte der Mann schwere körperliche Arbeit leisten. Seine Bitte um Hilfe wurde ihm im Betrieb verweigert. Wenn er diese Arbeit nicht leisten könne, solle er wieder nach Hause. Dies knapp zwei Stunden nach Stellenantritt. .

Folge: 31 Straftage! Die ALV kennt keine Fürsorgepflicht. Ihr ist es egal, ob die stellensuchende Person überlebensnotwendige Mittel zur Verfügung hat.

Wer führt in der Schweiz das Zepter der ALV, wo laufen die Fäden zusammen? Bundesbern, sprich das SECO ist Überwacherin der ALK. Gedankeneinwurf: Vergessen wir bei all dem nicht, dass die ALV monatlich durch eine Lohnabgabe eines jeden Arbeitnehmenden gespiesen wird.

Interview mit Herrn Zürcher:

„Herr Zürcher, welches sind die Ziele der Sanktionen?“

  1. Missbräuche vorbeugen
  2. Schadensbegrenzung bei der ALV

Ausformuliert bedeutet dies, der Gesetzgeber übt einen gewissen Druck auf den Stellensuchenden aus, damit dieser seinen Pflichten/Aufgaben als Stellensuchender nachkommt, sie ernst nimmt.

Trialogue nimmt dazu wie folgt Stellung:

«Missbräuche gibt es in jeder Versicherung. Agenten/Kontrolleure übernehmen richtigerweise die Verfolgung von Missbräuchen. Gesetze so zu gestalten, dass allfällige Missbräuche bereits inkludiert sind, ist falsch. Denn so können die Restriktionen laufend angepasst, sprich erhöht werden.»

Jährlich werden rund 90‘000 ALV-Klienten sanktioniert. Dies entspricht rund 1.4 Mio. Arbeitstagen, resp. 240 Mio. CHF /Jahr. Sprich so viel Mehrgeld in der ALK, so viel weniger im Geldbeutel der Versicherten.

Genf hat seit 2012 die höchste Sanktionssteigerung erfahren. Der Chef der ALK Genf wollte nur schriftlich dazu Stellung nehmen. Das SECO hatte festgestellt, dass die Sanktionen in Genf nicht gesetzmässig gehandhabt worden seien. 2014 wurde Genf aufgefordert ordnungsgemäss zu handeln, was diese Steigerung zur Folge hatte. Genf sei jedoch trotz den Bemühungen des SECO noch heute unter dem Schweizermittel.

Dazu nochmals Herr Zürcher: «Wir intervenieren oft in Kantonen, wenn die Sanktionspraxis nicht gesetzeskonform praktiziert wird. Es herrscht eine „Shame and Blame“. Die Zahlen werden in den kantonalen ALK publik gemacht, sodass ein gewisser Druck entsteht, sprich ein Wettbewerb spielt.»

Neuenburg gilt als Musterkanton. Hier wird bestätigt, dass die SECO Methode funktioniert. Die ALV wird als klassischer Versicherer beschrieben, der Schadensbegrenzung betreibt. Demzufolge hat der Gesetzgeber die Regeln gestaltet, dass Pflichtverletzungen seitens der Versicherten sanktioniert werden können. Diese harten Spielregeln ignorieren viele Versicherte.

Weiteres Beispiel einer sanktionierten Versicherten:

Mutter zweier Kinder, langjährige Angestellte in einer internationalen Firma, hat selber gekündigt und während der Kündigungsfrist engagiert Bewerbungen geschrieben, um so schnell wie möglich wieder eine Anstellung zu finden. Böses Erwachen: Ihre 6/7 Bewerbungen/Monat wurden als zu wenig taxiert. Sanktionierung: CHF 2‘000.—zu wenig Taggelder. Ihre Einsprache blieb erfolglos. Die Versicherte taxiert die Sanktion als unverhältnismässig.

 

Weiteres Beispiel:

Pflegefachfrau, in den 50-igern, 4 Kinder, geschieden, trat nach langer ergebnisloser Stellensuche eine befristete Anstellung an, in der Hoffnung bleiben zu können. Ihre Anstellung wurde jedoch nicht verlängert. Dann sandte sie ihre Bewerbungsausweise 20 Minuten zu spät ein, statt um 24:00 erst um 24:20h. Auch hatte sie ihre Beraterin auf der ALV nicht dahingehend aufmerksam gemacht, in der ALV gemeldet zu bleiben. Verlust entspricht gut einem Monatseinkommen.

Unser erstes Beispiel hat Rechtshilfe in Anspruch genommen und bekam Recht. Die ALV musste ihm Gelder nachzahlen. Der Prozess hat ihn jedoch an den Rand seiner Kräfte gebracht, sodass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Sein Hausarzt beschrieb die Sanktionskultur der ALV als entwürdigend und motivations- und gesundheitsschädigend. Heute ist der Bauzeichner selbständig erwerbend. Er schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben, ist aber froh, diese „Sanktionierungslast“ nicht mehr ertragen zu müssen.

Abschliessend wird erwähnt, dass den Arbeitsuchenden oft eine Stelle vermittelt wird, welche weit unter dem Niveau der letzten Anstellung liegt. Aus Angst vor all den Repressionen sagen die Stellensuchenden zu. Es ist jedoch erwiesen, dass die Betroffenen den Sprung zurück in die vormalige Karrierestufe kaum mehr schaffen.
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Überbrückungsleistung: Stoppt die Beamtenschnüffelei bis zurück in die Kindheit

Medienmitteilung vom 26.1.2022/ Damit die Überbrückungsleistung, die älteren Arbeitslosen seit Juli 2021 unter bestimmten Voraussetzungen im Anschluss an die Aussteuerung gewährt wird, nahtlos auf seine Aussteuerung im Oktober 2021 erfolgt, stellte der 60-jährige R.K.* – mittlerweile Familienvater von noch zwei unterstützungspflichtigen Kindern (ehemals fünf) – bereits im August 2021 bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) St. Gallen einen entsprechenden Antrag. Im Januar 2022 flatterte der ablehnende Entscheid ins Haus. Die Behörden verdächtigen ihn aufgrund einer Unterstützung seiner ausländischen Verwandten im Jahre 2014 des Vermögensverzichts. Die Abnahme seines damaligen Vermögens sei nicht vollständig belegt. Weil ein Verzicht gleich berechnet werde, als ob das Vermögen noch da wäre, überschreite dieses aktuell die gewährte Vermögensobergrenze von 150 000 Franken (Freibetrag 80‘000 Franken) für eine Familie mit zwei Kindern. Dem Familienvater platzte ob diesem Willkürentscheid der Behörden zurecht der Kragen, weist der Entscheid zusätzlich auch noch andere Mängel auf. Im Gegensatz zu den Behörden kennt R.K nämlich den Rechtsgrundsatz, woran sich jedes neue Gesetz zu halten hat: Niemandem dürfen Rechtspflichten auferlegt werden, die ihm zum Zeitpunkt, als sich der Sachverhalt verwirklichte, nicht bekannt waren, oder mit dem er nicht rechnen und auf die er sein Handeln nicht ausrichten konnte.

Avenir50plus Schweiz konfrontierte in der Folge das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) mit dem Inhalt der Rechtsprechung besagter Sozialversicherungsanstalt. Dieses meldete nach interner Absprache zurück: «Bei den Überbrückungsleistungen (ÜL) liegt ein Vermögensverzicht vor, wenn eine Person zu irgendeinem Zeitpunkt Vermögenswerte veräußert hat, ohne dass sie dazu rechtlich verpflichtet war. Hat besagte Person damals aufgrund eines ungenügenden Einkommens einen unbelegten Vermögensrückgang erfahren, so entspricht der Vermögensverzicht der Differenz zwischen dem unbelegten Vermögensrückgang und dem Teil des Vermögens, der für den Lebensunterhalt (inkl. Anpassung an die Kaufkraft des entsprechenden Landes) aufgewendet werden musste. Die Unterstützung von Drittpersonen (ohne rechtliche Verpflichtung) gilt immer als Verzichtsvermögen. Die Berücksichtigung eines übermäßigenVerbrauchs gemäss Artikel 13 Absatz 3 ÜLG erfolgt jedoch erst ab Entstehung des Anspruchs auf ÜL, d.h. ab dem Monat, wo eine Person einen ÜL-Anspruch hat.»

Wenn ein übermäßiger Verbrauch des Vermögens also erst ab Anspruch auf ÜL besteht, was rechtlich korrekt ist, kann dieser doch nicht gleichzeitig als Berechnungsgrundlage herbeigezogen werden, wenn es um den Verdacht eines Vermögensverzichts geht, der sieben Jahre vor Inkrafttreten des ÜLG stattgefunden haben soll. Ebenso wenig darf für das obige Beispiel der Begriff des zulässigen Lebensunterhaltes verwendet werden, wurde dieser doch erst mit Inkrafttreten des teilrevidierten Gesetzes über Ergänzungsleistungen (2021) in die Welt gesetzt. Wer ­den Versuch unternimmt, gemäss Wegleitung des BSV den zulässigen Lebensunterhalt für eine Familie mit fünf Kindern zu berechnen, stellt fest, dass sich der Berechnungsraster lediglich auf eine Familie mit maximal drei Kinder bezieht. Auf die Nachfrage bei einer Behördenstelle nach dem Sinn dieser Beschränkung, lautet die Antwort: «Der Faktor gilt egal, ob dreioder allenfalls zehn Kinder in der Berechnung sind. Ob das logisch ist oder nicht spielt keine Rolle, laut Wegleitung des BSV ist es einfach so.»

Wie es den Anschein macht, überträgt das BSV die bundesrichterliche Rechtsprechung zum Vermögensverzicht bei den Ergänzungsleistungen ohne Abstrich auf jene des neu geschaffenen Gesetzes über die Überbrückungsleistungen für Ältere. Ob das rechtlich korrekt und im Sinne des Gesetzgebers ist, wird bezweifelt. Bedenkt man die kurze Zeitspanne von drei Jahren, während der die Überbrückungsleistung im besten Fall gewährt wird, könnte in Aufrechterhaltung der beklagten Beamtenschnüffelei wohl kaum jemand mit der Auszahlung einer Leistung vor Ablauf des Zeitfensters des Leistungsanspruchs rechnen. Auch Familienvater R.K. musste sich das Restguthaben der Pensionskasse auszahlen lassen, um den Lebensunterhalt ab Zeitpunkt der Aussteuerung im Oktober 2021 finanzieren zu können. Damit wird der Zweck des Gesetzes, zeitnah im Anschluss an die Aussteuerung eine Leistung zu gewähren, die die Fortsetzung des gewohnten Lebensunterhaltes ermöglicht, ohne dabei die Altersguthaben vorzeitig auflösen zu müssen ad absurdum geführt.

Avenir50plus Schweiz fordert das BSV und allenfalls den Gesetzgeber auf, in dieser Angelegenheit über die Bücher zu gehen und die Wegleitung anzupassen.

* Der richtige Name des Familienvaters ist Avenir50plus Schweiz bekannt.
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Quellen
Bundesamt für Justiz: Leitfaden für die Ausarbeitung eines Gesetzes
Randziffer 1028 Rückwirkung

Die Rückwirkung, ob den Adressaten belastend oder begünstigend, ist grundsätzlich verboten (s. BGE 125 I 182, 186; 119 Ib 103, 110). Niemandem sollen Rechtspflichten auferlegt werden, die ihm zum Zeitpunkt, als sich der Sachverhalt verwirklichte, nicht bekannt waren oder mit denen er nicht rechnen und auf die er sein Handeln nicht ausrichten konnte file:///Users/heidijoos/Downloads/gleitf-d.pdf 

 Wegleitung über die Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose