Die Schweizer Arbeitslosenversicherung gehört zu den grosszügigsten in Europa. Aber sie ist auch eine der strengsten. Beim geringsten Verstoß kann der Arbeitssuchende bis zu drei Monate ohne Einkommen dastehen, weil er eine Sanktion erhalten hat. Es spielt keine Rolle, dass er in gutem Glauben ist und sich unterhalb des Existenzminimums befindet.
RTS 1 Beitrag vom 7.4.2022 von Raphel Engel. Übersetzung Suzanne Graf Zur Sendung
Beispiel eines Bauzeichners, Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, Ehemann einer behinderten Frau, arbeitet deshalb im 50% -Pensum, verlor seine Stelle, bekommt CHF 120.—Taggeld / Arbeitstag, die ALK auferlegt ihm jedoch gnadenlose Sanktionen, falls er seinen Pflichten nicht nachkommt. So wurde ihm in Neuenburg eine Stelle zugeteilt. Dies hätte lange Arbeitswege, Zeitaufwand bedeutet, was wegen seiner familiären Situation unzumutbar war. Dann reichte er seine Stellensuchnachweise 2 Tage zu spät ein. Dies wurde mit 5 Einstelltagen bestraft. Weitere Bestrafungen aus demselben Grund. Stellen für Bauzeichner seien rar und somit auch schwierig die Abgabetermine einzuhalten. Auch könne es doch immer wieder Situationen geben, welche eine Termineinhaltung für die Einreichung der Stellensuchnachweise verunmöglichten. Frage des Journalisten: «Hat ihnen die ALV geholfen, wieder auf die Beine zu kommen?» Der Arbeitsuchende Familienvater lacht zynisch. «Welche Frage! Die ALV ist nicht dafür da, uns zu helfen, sondern dafür, uns zu sanktionieren, damit sie mich möglichst schnell von der AL-Liste streichen können!»
Es gibt drei Sanktionskategorien:
Bei leichten Vergehen 1 bis 15 Tage
Bei mittleren Vergehen 16 bis 30 Tage
Bei schweren Vergehen 31 bis 60 Tage
Beispiele von Vergehen: Mangelnde Anzahl Bewerbungen, Verspätung bei Einreichung des Bewerbungsnachweises, Verlassen einer Stelle/Temporär Stelle, Ausschlagen einer zugeteilten Stelle, welche von der ALV als zumutbar taxiert wurde, auch wenn es sich nur um eine temporäre Stelle handelt.
Willkommen im Land, in dem das Arbeiten gelobt, Stellensuche jedoch bestraft wird.
Trialogue, eine Genfer Organisation, gegründet von freiwilligen Anwälten, Tel. 022 340 64 80, leistet Hilfe.
Ein Beispiel wird erzählt: Einem motivierten Stellensuchenden wird eine Stelle zugeteilt, die jedoch überhaupt nicht seiner früheren Tätigkeit entspricht. Von einem Tag auf den anderen sollte der Mann schwere körperliche Arbeit leisten. Seine Bitte um Hilfe wurde ihm im Betrieb verweigert. Wenn er diese Arbeit nicht leisten könne, solle er wieder nach Hause. Dies knapp zwei Stunden nach Stellenantritt. .
Folge: 31 Straftage! Die ALV kennt keine Fürsorgepflicht. Ihr ist es egal, ob die stellensuchende Person überlebensnotwendige Mittel zur Verfügung hat.
Wer führt in der Schweiz das Zepter der ALV, wo laufen die Fäden zusammen? Bundesbern, sprich das SECO ist Überwacherin der ALK. Gedankeneinwurf: Vergessen wir bei all dem nicht, dass die ALV monatlich durch eine Lohnabgabe eines jeden Arbeitnehmenden gespiesen wird.
Interview mit Herrn Zürcher:
„Herr Zürcher, welches sind die Ziele der Sanktionen?“
Missbräuche vorbeugen
Schadensbegrenzung bei der ALV
Ausformuliert bedeutet dies, der Gesetzgeber übt einen gewissen Druck auf den Stellensuchenden aus, damit dieser seinen Pflichten/Aufgaben als Stellensuchender nachkommt, sie ernst nimmt.
Trialogue nimmt dazu wie folgt Stellung:
«Missbräuche gibt es in jeder Versicherung. Agenten/Kontrolleure übernehmen richtigerweise die Verfolgung von Missbräuchen. Gesetze so zu gestalten, dass allfällige Missbräuche bereits inkludiert sind, ist falsch. Denn so können die Restriktionen laufend angepasst, sprich erhöht werden.»
Jährlich werden rund 90‘000 ALV-Klienten sanktioniert. Dies entspricht rund 1.4 Mio. Arbeitstagen, resp. 240 Mio. CHF /Jahr. Sprich so viel Mehrgeld in der ALK, so viel weniger im Geldbeutel der Versicherten.
Genf hat seit 2012 die höchste Sanktionssteigerung erfahren. Der Chef der ALK Genf wollte nur schriftlich dazu Stellung nehmen. Das SECO hatte festgestellt, dass die Sanktionen in Genf nicht gesetzmässig gehandhabt worden seien. 2014 wurde Genf aufgefordert ordnungsgemäss zu handeln, was diese Steigerung zur Folge hatte. Genf sei jedoch trotz den Bemühungen des SECO noch heute unter dem Schweizermittel.
Dazu nochmals Herr Zürcher:«Wir intervenieren oft in Kantonen, wenn die Sanktionspraxis nicht gesetzeskonform praktiziert wird. Es herrscht eine „Shame and Blame“. Die Zahlen werden in den kantonalen ALK publik gemacht, sodass ein gewisser Druck entsteht, sprich ein Wettbewerb spielt.»
Neuenburg gilt als Musterkanton. Hier wird bestätigt, dass die SECO Methode funktioniert. Die ALV wird als klassischer Versicherer beschrieben, der Schadensbegrenzung betreibt. Demzufolge hat der Gesetzgeber die Regeln gestaltet, dass Pflichtverletzungen seitens der Versicherten sanktioniert werden können. Diese harten Spielregeln ignorieren viele Versicherte.
Weiteres Beispiel einer sanktionierten Versicherten:
Mutter zweier Kinder, langjährige Angestellte in einer internationalen Firma, hat selber gekündigt und während der Kündigungsfrist engagiert Bewerbungen geschrieben, um so schnell wie möglich wieder eine Anstellung zu finden. Böses Erwachen: Ihre 6/7 Bewerbungen/Monat wurden als zu wenig taxiert. Sanktionierung: CHF 2‘000.—zu wenig Taggelder. Ihre Einsprache blieb erfolglos. Die Versicherte taxiert die Sanktion als unverhältnismässig.
Weiteres Beispiel:
Pflegefachfrau, in den 50-igern, 4 Kinder, geschieden, trat nach langer ergebnisloser Stellensuche eine befristete Anstellung an, in der Hoffnung bleiben zu können. Ihre Anstellung wurde jedoch nicht verlängert. Dann sandte sie ihre Bewerbungsausweise 20 Minuten zu spät ein, statt um 24:00 erst um 24:20h. Auch hatte sie ihre Beraterin auf der ALV nicht dahingehend aufmerksam gemacht, in der ALV gemeldet zu bleiben. Verlust entspricht gut einem Monatseinkommen.
Unser erstes Beispiel hat Rechtshilfe in Anspruch genommen und bekam Recht. Die ALV musste ihm Gelder nachzahlen. Der Prozess hat ihn jedoch an den Rand seiner Kräfte gebracht, sodass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Sein Hausarzt beschrieb die Sanktionskultur der ALV als entwürdigend und motivations- und gesundheitsschädigend. Heute ist der Bauzeichner selbständig erwerbend. Er schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben, ist aber froh, diese „Sanktionierungslast“ nicht mehr ertragen zu müssen.
Abschliessend wird erwähnt, dass den Arbeitsuchenden oft eine Stelle vermittelt wird, welche weit unter dem Niveau der letzten Anstellung liegt. Aus Angst vor all den Repressionen sagen die Stellensuchenden zu. Es ist jedoch erwiesen, dass die Betroffenen den Sprung zurück in die vormalige Karrierestufe kaum mehr schaffen. Als PDF herunterladen
Medienmitteilung vom 26.1.2022/ Damit die Überbrückungsleistung, die älteren Arbeitslosen seit Juli 2021 unter bestimmten Voraussetzungen im Anschluss an die Aussteuerung gewährt wird, nahtlos auf seine Aussteuerung im Oktober 2021 erfolgt, stellte der 60-jährige R.K.* – mittlerweile Familienvater von noch zwei unterstützungspflichtigen Kindern (ehemals fünf) – bereits im August 2021 bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) St. Gallen einen entsprechenden Antrag. Im Januar 2022 flatterte der ablehnende Entscheid ins Haus. Die Behörden verdächtigen ihn aufgrund einer Unterstützung seiner ausländischen Verwandten im Jahre 2014 des Vermögensverzichts. Die Abnahme seines damaligen Vermögens sei nicht vollständig belegt. Weil ein Verzicht gleich berechnet werde, als ob das Vermögen noch da wäre, überschreite dieses aktuell die gewährte Vermögensobergrenze von 150 000 Franken (Freibetrag 80‘000 Franken) für eine Familie mit zwei Kindern. Dem Familienvater platzte ob diesem Willkürentscheid der Behörden zurecht der Kragen, weist der Entscheid zusätzlich auch noch andere Mängel auf. Im Gegensatz zu den Behörden kennt R.K nämlich den Rechtsgrundsatz, woran sich jedes neue Gesetz zu halten hat: Niemandem dürfen Rechtspflichten auferlegt werden, die ihm zum Zeitpunkt, als sich der Sachverhalt verwirklichte, nicht bekannt waren, oder mit dem er nicht rechnen und auf die er sein Handeln nicht ausrichten konnte.
Avenir50plus Schweiz konfrontierte in der Folge das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) mit dem Inhalt der Rechtsprechung besagter Sozialversicherungsanstalt. Dieses meldete nach interner Absprache zurück: «Bei den Überbrückungsleistungen (ÜL) liegt ein Vermögensverzicht vor, wenn eine Person zu irgendeinem Zeitpunkt Vermögenswerte veräußert hat, ohne dass sie dazu rechtlich verpflichtet war. Hat besagte Person damals aufgrund eines ungenügenden Einkommens einen unbelegten Vermögensrückgang erfahren, so entspricht der Vermögensverzicht der Differenz zwischen dem unbelegten Vermögensrückgang und dem Teil des Vermögens, der für den Lebensunterhalt (inkl. Anpassung an die Kaufkraft des entsprechenden Landes) aufgewendet werden musste. Die Unterstützung von Drittpersonen (ohne rechtliche Verpflichtung) gilt immer als Verzichtsvermögen. Die Berücksichtigung eines übermäßigenVerbrauchs gemäss Artikel 13 Absatz 3 ÜLG erfolgt jedoch erst ab Entstehung des Anspruchs auf ÜL, d.h. ab dem Monat, wo eine Person einen ÜL-Anspruch hat.»
Wenn ein übermäßiger Verbrauch des Vermögens also erst ab Anspruch auf ÜL besteht, was rechtlich korrekt ist, kann dieser doch nicht gleichzeitig als Berechnungsgrundlage herbeigezogen werden, wenn es um den Verdacht eines Vermögensverzichts geht, der sieben Jahre vor Inkrafttreten des ÜLG stattgefunden haben soll. Ebenso wenig darf für das obige Beispiel der Begriff des zulässigen Lebensunterhaltes verwendet werden, wurde dieser doch erst mit Inkrafttreten des teilrevidierten Gesetzes über Ergänzungsleistungen (2021) in die Welt gesetzt. Wer den Versuch unternimmt, gemäss Wegleitung des BSV den zulässigen Lebensunterhalt für eine Familie mit fünf Kindern zu berechnen, stellt fest, dass sich der Berechnungsraster lediglich auf eine Familie mit maximal drei Kinder bezieht. Auf die Nachfrage bei einer Behördenstelle nach dem Sinn dieser Beschränkung, lautet die Antwort: «Der Faktor gilt egal, ob dreioder allenfalls zehn Kinder in der Berechnung sind. Ob das logisch ist oder nicht spielt keine Rolle, laut Wegleitung des BSV ist es einfach so.»
Wie es den Anschein macht, überträgt das BSV die bundesrichterliche Rechtsprechung zum Vermögensverzicht bei den Ergänzungsleistungen ohne Abstrich auf jene des neu geschaffenen Gesetzes über die Überbrückungsleistungen für Ältere. Ob das rechtlich korrekt und im Sinne des Gesetzgebers ist, wird bezweifelt. Bedenkt man die kurze Zeitspanne von drei Jahren, während der die Überbrückungsleistung im besten Fall gewährt wird, könnte in Aufrechterhaltung der beklagten Beamtenschnüffelei wohl kaum jemand mit der Auszahlung einer Leistung vor Ablauf des Zeitfensters des Leistungsanspruchs rechnen. Auch Familienvater R.K. musste sich das Restguthaben der Pensionskasse auszahlen lassen, um den Lebensunterhalt ab Zeitpunkt der Aussteuerung im Oktober 2021 finanzieren zu können. Damit wird der Zweck des Gesetzes, zeitnah im Anschluss an die Aussteuerung eine Leistung zu gewähren, die die Fortsetzung des gewohnten Lebensunterhaltes ermöglicht, ohne dabei die Altersguthaben vorzeitig auflösen zu müssen ad absurdum geführt.
Avenir50plus Schweiz fordert das BSV und allenfalls den Gesetzgeber auf, in dieser Angelegenheit über die Bücher zu gehen und die Wegleitung anzupassen.
Die Rückwirkung, ob den Adressaten belastend oder begünstigend, ist grundsätzlich verboten (s. BGE 125 I 182, 186; 119 Ib 103, 110). Niemandem sollen Rechtspflichten auferlegt werden, die ihm zum Zeitpunkt, als sich der Sachverhalt verwirklichte, nicht bekannt waren oder mit denen er nicht rechnen und auf die er sein Handeln nicht ausrichten konnte file:///Users/heidijoos/Downloads/gleitf-d.pdf
(HJ) Die Zustimmung zu einer Erhöhung des Rentenalters ist eng verknüpft mit der Gewissheit, bis ins AHV-Alter arbeiten zu können. Das geht aus einer aktuellen Swiss-Life Studie hervor. Politik und Unternehmen jedoch haben es in den letzten Jahren verpasst, arbeitsrechtliche Massnahmen zu ergreifen, um den Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz bis zum Pensionsalter zu garantieren. Stattdessen wurden die Probleme über die Zuwanderung gelöst. Die kurzfristige Politik wird sich bei der Abstimmung über die AHV-Reform als Bumerang erweisen. Eine Mehrheit von Avenir50plus Schweiz unterstützt das Referendum ebenfalls.
Arbeitsmarkt nicht aufnahmefähig für Erhöhung Rentenalter Frauen Die Arbeitsmangelquote liegt in der Schweiz gegenwärtig bei 12.4 Prozent. Anders ausgedrückt: 867 000 Personen möchten gerne arbeiten oder mehr arbeiten. Davon betroffen sind vor allem Frauen. Die Schweiz verfügt im Vergleich mit den OECD-Ländern über die höchste Anzahl an Teilzeitstellen bei den Älteren. Davon betroffen sind ebenfalls mehrheitlich Frauen. Eine Erhöhung des Rentenalters ist zudem wirkungslos, wenn Arbeitnehmende, wie dies auf die Schweiz zutrifft, sich deutlich vor dem ordentlichen AHV-Alter pensionieren lassen, stellt u.a. der Bundesrat in seiner Botschaft (S.47) fest.
Arbeitsrechtliche Hausaufgaben nicht gelöst Im Gegensatz zu den europäischen Ländern verfügt die Schweiz weder über einen gesetzlichen Schutz vor Altersdiskriminierung noch wurden Massnahmen zur Förderung des aktiven Alterns getroffen. Schweden kennt im Gegensatz zur Schweiz ein Recht auf Beschäftigung bis zum Alter von 67 Jahren. Dänemark, die Niederlande, Italien verfügen über einen Schutz vor altersbedingten Entlassungen. Auch liegt die Arbeitszeit in der Schweiz mit 42.9 Stunden höher als in der EU mit 41.1. Stunden. Seit Jahren bat Avenir50plus Schweiz Bundesbern im Rahmen der Hearings unter der Führung von Bundesrat Schneider Ammann vergeblich, sich diesem Reformstau anzunehmen. Ausgerechnet seine Partei redet heute der Verantwortung in Form einer weitergehenden Erhöhung des AHV-Alters das Wort.
Finanzierung über Mikrosteuer Die Renten der Frauen sind im Durchschnitt immer noch ein Drittel tiefer als jene der Männer. Mit der Revision verlieren sie zusätzlich 1’200 Franken pro Jahr. Angesichts ihrer immer noch schlechten Verankerung im Arbeitsmarkt ist das inakzeptabel. Statt die Finanzierung des Alters weiterhin über die Besteuerung der Arbeit zu lösen, geht es im Hinblick auf die vermehrte Digitalisierung der Arbeit darum, das Geld dort zu holen, wo es ist. Der Grossteil der Gelder fliesst heute in den Finanzkasinokapitalmarkt. Würde man den Transfer der Spekulationsgelder nur minimal versteuern (Mikrosteuer), liesse sich damit ein würdiges Alter finanzieren. Es wird endlich Zeit, dass auch die Schweiz über eine Mikrosteuer nachdenkt.
Das soll sich nach Ansicht der Gewerkschaften ändern, berichtet 20 Minuten. SVP-Nationalrat Matter wirft den Gewerkschaften vor, dass es ihnen dabei nur ums Geld geht. Denn die Arbeitslosenkassen der Gewerkschaften würden dafür gut entschädigt. Auf die Frage, wie hoch die Entschädigung für die Stellensuchenden ohne Leistungsanspruch sei, antwortet das Seco mit Hinweis auf die Vollzugsverordnung gegenüber Avenir50plus Schweiz: «Das Seco führt keine Statistik darüber, wie hoch diese ist. Unentschuldbar, denn der Aufwand der Kassen besteht für diese Gruppe einzig in der Registrierung, derjenige der RAV in der Kontrolle. Davon profitieren vor allem Kassen, wie diejenige der UNIA, die mit einer Pauschale entschädigt werden (Motion von Damian Müller).
Avenir50plus Schweiz hat bis anhin allen Ausgesteuerten empfohlen, weiterhin beim RAV angemeldet zu bleiben. Das vor allem darum, weil sie dadurch statistisch erfasst werden. Doch immer wieder melden uns Betroffene, einerseits müssten sie sich den Verbleib beim RAV geradezu erkämpfen, andererseits hätten sie die Nase gestrichen voll von den RAV, deren Leistung sich lediglich auf Kontrolle beschränke. Angesichts dieser Feedbacks täte der Staat besser daran, zumindest diese Dienstleistung an Private auszugliedern.
Statt das 10 Jahre Jubiläum Mitte 2022 zu feiern, geht Avenir50plus Schweiz zu diesem Zeitpunkt bankrott, geschieht nicht ein Wunder. 100 Gesuche reichten wir bei verschiedenen Gönnern sowie beim für das Seco zuständigen Bundesrates G. Parmelin ein mit dem Ziel, unsere kostenlose Beratungsarbeit, die wir seit neun Jahren leisten, endlich zu einem Teil entlohnen zu können. Die dadurch generierten Einnahmen sind geringer als Jahre zuvor. Sie decken für das Jahr 2022 nicht einmal die Fixkosten, wie z.B. Miete, Telefon oder sonstige Infrastruktur. Wenn ihr der Meinung seid, es benötige unsere kostenlose Beratungsarbeit, schreibt uns umgehend in wenigen Zeilen, was euch dazu bewegt. Auch Fachstellen, Angehörige und Nichtbetroffene die unsere Arbeit schätzen, sind aufgefordert.
Es wäre ein bitteres Ende in einer Zeit, in der gleichzeitig die 300 Reichsten der Schweiz allein im Jahre 2020 ihr Vermögen um 115 Milliarden Franken erweiterten. Der Bundesrat verweist in seiner ablehnenden Antwort u.a. auf die Arbeit der RAV, vergessen, dass sich Arbeitslosigkeit auf viele Facetten des Lebens auswirkt, die von diesen Institutionen nicht abgedeckt werden. Anlaufstellen für Ausgesteuerte, die umfassende Beratung anbieten sind nur gerade im kirchlichen Umfeld zu finden. Für Sozialhilfebeziehende gibt es zwar die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilfe, doch diese ist oft überlastet und hilft einzig bei Rechtsproblemen.
Einer der bis anhin wichtigsten Gönner, auf den wir uns über Jahre verlassen konnten, teilte uns kürzlich mit, dass unser Gesuch nicht mehr berücksichtigt werde. Begründung: Wir würden nicht nur von Armut Betroffene beraten und uns überdies politisch zu Themen äussern, die nicht in direktem Zusammenhang mit Armut stünden. Sozialarbeit ist gemäss Lehre immer auch der Prävention verpflichtet. Aus diesem Grund beraten wir auch Ausgesteuerte und Jobsuchende, die noch nicht definitiv in der Armutsfalle gelandet sind mit dem Ziel, genau das zu verhindern. Politisch haben wir uns dieses Jahr zur Begrenzungsinitiative, zu den Überbrückungsleistungen für 60plus, zu besseren Leistungen in der Zahnmedizin und der Gesundheit von Sozialhilfebeziehenden sowie zur Covid-Politik geäussert. Ersteres brachte uns harsche Kritik ausgerechnet der renommierten Armutsforschern der Schweiz sowie einigen Linkspolitikern ein, beide von der Sorte, die an den Armutstagungen des Bundes jeweils die vermehrte politische Partizipation der Armen fordern. Und wehe, sie sagen was sie denken! Bei der Bemessung der Leistungen zur Überbrückungsleistung durften wir auf die Unterstützung der Linken zählen, doch die vermochten sich in Bundesbern nicht durchzusetzen. Letzteres führte dazu, dass den Arbeitslosen drei zusätzliche Monate Taggelder gewährt wurden. Vor Kurzem forderten wir die Kostenübernahme der Tests für alle, weil dies besonders die Armen ausgrenzt. Das Engagement für einen gesetzlichen Schutz vor Altersdiskriminierung versteht sich als Präventionsarbeit, wird dieser auch von den Autoren der Seco-Studie «Alter und Beschäftigung» als wirksames Instrument diskutiert.
Die beiden grossen Seniorenverbände der Schweiz, die für das Alterssegment ab 65 (Avenir50plus Schweiz bis 65) zuständig sind, werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) subventioniert. Auch sie äusserten sich zur umstrittenen Covid-Vorlage. Die Pro Senectute, die als dritter Partner im Bunde speziell für deren Beratungsarbeit vom BSV Geld erhält, äusserte kürzlich in der Person von Evelyn Widmer Schlumpf eine unmissverständliche Position zur Erhöhung des AHV-Alters für Frauen, obwohl diese Institution diejenigen vertritt, die bereits im Pensionsalter sind. Was diesen Institutionen erlaubt ist, sollte auch Avenir50plus Schweiz zugestanden werden.
Helft mit, dass unsere Stimme in Medien und der Politik nicht verklingt und wir weiterhin Ältere in Not und auf Jobsuche kostenlos beraten können. Möge uns das Christkind erhören.
Avenir50plus Schweiz 2017 in Aktion anlässlich der SKOS-Mitgliederversammlung. Wir überreichten der damaligen Co-Präsidentin der SKOS, Therese Frösch unser Anliegen nach einem Grundeinkommen oder einer Überbrückungsleistung für 50plus.
Damit allen 60-Jährigen den Gang aufs Sozialamt erspart bleibt, lancierte Avenir50plus Schweiz Anfang September 2021 in verschieden Kantonen in Ergänzung der Überbrückungsleistung des Bundes kantonale Petitionen für Kantonale Brückenleistungen. Nach zwei Monaten Sammelzeit lagen Ende Oktober total 3’631 Petitionsunterschriften vor, die in der kommenden Woche, den Kantonen zugeführt werden. AG: 466, BE: 573, BL:438, BS:438, LU: 518, SG: 446, ZH: 752. Medienmitteilung weiterlesen
Bild oben / Kanton Luzern: Übergabe der Petition an die Stv. Leiterin Staatskanzlei Bild unten / Kanton Basel-Land: Übergabe der Petition an Landschreiberin Frau Heer (li)
Kanton Basel-Stadt: Übergabe der Petition an Frau Schüpbach, Leiterin Staatskanzlei 2021.12.02Kanton St. Gallen: Die Verantwortlichen auf dem Weg zur Staatskanzlei zur Überreichung der Petition.Kanton Aargau: Überreichung der Petition an die zuständige Staatskanzlei.
(HJ) Die Diskriminierung der Älteren auf dem Arbeitsmarkt schreitet unbeirrt voran. Altersdefizitäre Bilder dominieren weiterhin die Einstellungspolitik der meisten Unternehmen. Die wenigsten von ihnen verfügen über eine gezielte Politik gegenüber den älteren Arbeitnehmenden, um diese gesund ins AHV-Alter zu bringen. Auch der Bundesrat kennt keine fundierte Strategie im Umgang mit den immer älter werdenden Belegschaften im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt.
Unbestritten ist: Die Älteren gehören nicht nur zu den Verlierern der Corona-Politik, sie werden demnächst auch einen hohen Preis für die fortschreitende Digitalisierung bezahlen. So unverständlich oberflächlich betrachtet der Schlusspfiff zu den Jahreskonferenzen «Alter und Beschäftigung» zu einem Zeitpunkt daherkommt, wo disruptive Zukunftsaussichten mehr denn je den Lead der obersten Regierung benötigen würde, so gelegen mag dieser der SVP sein. Ihr verbleibt somit weiterhin die politisch lukrative Bewirtschaftung der älteren Jobsuchenden. Mag sein, dass das Thema auch vom Tisch muss, weil die Forderung nach einer Erhöhung des Rentenalters sich schlecht verträgt mit Altersarbeitslosigkeit.
Der Ankündigung des Arbeitgeberverbandes, im kommenden Jahr seine Schäfchen an die Brust zu nehmen, um diesen ein Age-Management beliebt zu machen, darf mit Skepsis begegnet werden. Bereits dessen erstes, zwar gut gemeintes Projekt «Perspektive 45plus», das dieser im Zuge des Schocks der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative lancierte, scheiterte am Desinteresse der Arbeitgeber. Solange die Arbeitgeber ihre Bedürfnisse nach willigem und günstigem Personal über Zuwanderung lösen können und die Schweiz kein Gesetz zum Schutz vor Altersdiskriminierung kennt, kann auch ein Arbeitgeberverband nur wenig bewegen.
Ein mickriges Grundeinkommen, das dannzumal die Heere von älteren Arbeitslosen befrieden soll, kann nicht die einzige Antwort sein. Es gibt nämlich noch Arbeitnehmende, die bis zur Rente arbeiten wollen. Denen gilt es, nebst einem Recht auf Arbeit und alterslosen Zugang zu Stipendientöpfen, rechtzeitig finanzierbare Weiterbildungs- oder Umschulungsangebote anzubieten.
Zynisch der Hinweis des Bundesrates, der Fokus auf die Erwerbslosigkeit der Älteren zeige auch Wirkung im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Das Thema aus dem öffentlichen Bewusstsein wegzudrängen, bedeutet für Betroffene, dass sie vermehrt die Ursachen für ihre Erwerbslosigkeit wieder bei sich selbst suchen. Die Selbstzerfleischung der Betroffenen, die auch nach 300 Bewerbungen nicht fündig werden, geschieht leise. Schade nur, dass der Bundesrat den Fokus nicht auch abwendet, wenn es um Corona geht. Doch dieser bietet der Politik ein einmaliges Forum der Profilierung. Für die individuellen «Kollateralschäden» bleibt in beiden Fällen der leider zu oft gewählte Griff zu Antidepressiva. Wir bleiben dran.
Obwohl die Belegschaften in den kommenden Jahren immer älter werden, kennen gemäss Swiss Life-Studie die wenigsten Unternehmen eine aktive Personalpolitik, um die Arbeitnehmenden gesund ins Pensionsalter zu führen. Mehr als jedes vierte Unternehmen diskriminiert sogar Stellensuchende über 55 Jahren.
2030 wird es rund 30 Prozent mehr Pensionierungen geben als noch 2019 und rund 80 Prozent mehr als um die Jahrtausendwende. Kaum verwunderlich, dass die Erwerbslosenquote bei den Älteren seit 2015 angestiegen ist. Die Seco-Statistik zählt im Vergleich zu 2015 (Monat September) rund 14 750 mehr Stellensuchende.
Avenir50plus Schweiz veröffentlicht an dieser Stelle demnächst die Stellungnahme zuhanden der Nationalen Konferenz Alter und Beschäftigung mit massiver Kritik an die Adresse des Bundesrates.
PS Der SRF Beitrag, indem Caroline Brunner, Mutter von drei Kindern erwähnt wird, hat es unterlassen zu erwähnen, dass diese im Alter 50plus einen EFZ-KV-Abschluss erworben hat und trotzdem ohne Arbeit ist.
Eine Studie zuhanden des Bundesrates macht sichtbar, was sich uns täglich zeigt: Der Gesundheitszustand der Sozialhilfebeziehenden (SHB) ist deutlich schlechter als derjenige der Restbevölkerung. Jetzt fordern wir Taten statt Worte.
In einem offenen Brief an die SKOS verlangt Avenir50plus Schweiz, was längst überfällig ist: Die Übernahme der Prämien für die Zusatzversicherung Alternativmedizin zumindest für Personen 50plus. Gemäss Studie leiden 63 Prozent der SHB über 50 an einer chronischen Krankheit, wohingegen dies bei der gleichaltrigen Restbevölkerung auf lediglich 29 Prozent zutrifft. Gerade für chronisch Kranke hat die Alternativmedizin ein gutes Angebot, das den älteren SHB nicht vorenthalten werden darf, zumal die Monatsprämie (rund 50 CHF) im Vergleich zum Nutzen gering ist.
(HJ) Ein Komitee um den ehemaligen Bundeshaussprecher Oswald Sigg lancierte vor kurzem eine Volksinitiative für ein Grundeinkommen. Ein erster Versuch wurde 2016 deutlich vom Volk abgelehnt. Auch der Schweizer Thomas Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Hamburg fordert in einem aktuellen Buch: Grundeinkommen JETZT. Nur so sei die Marktwirtschaft noch zu retten. Ausser dem Titel hätten beide Protagonisten nichts gemeinsam, tönt es aus der Küche der Initianten, den Guten. Warum allenfalls doch.
Angesprochen auf ein Grundeinkommen verklärt sich bei den einen der Blick, bei den anderen sträuben sich die Nackenhaare. Dass die Sozialhilfe überreif ist für eine Reform, ist selbst beim Bundesrat unbestritten. Doch der Handlungsbedarf wird von den Kantonen, die daraus Mehrbelastungen ableiten, geblockt. Wer sich diesem Klima des Reformstaus als Beziehende von Sozialhilfeleistungen ausgesetzt sieht, ist verständlicherweise verführbar für ein Grundeinkommen, das einem in Aussicht stellt, den Gang nach Ganossa zu ersparen. Ein scheinbarer Lichtblick auch für alle Ausgesteuerten und gestrandeten Selbständigerwerbenden, die im fortgeschrittenen Alter von staatlichen Leistungen ausgeschlossen sind.
Die Guten Sigg, der seine Lehren aus der letzten Volksabstimmung zog, formulierte den Initiativtext bewusst sehr offen, sprich, er will die konkrete Ausgestaltung dem Parlament überlassen. Zur Finanzierung sieht er u.a. eine Mikrosteuer vor wie sie jüngst auch mittels einer Volksinitiative zur Diskussion gestellt wird. Im Gegensatz zum ersten Anlauf, positionieren die Initianten das Grundeinkommen als Zusatzleistung, nicht mehr wie beim ersten Anlauf als Ersatz für alle Sozialversicherungen. Unbestritten will Sigg nur Gutes für die Minderbemittelten. Doch reicht das?
Die Retter der Marktwirtschaft Unterwegs mit der Vision eines Grundeinkommens sind nebst den Initianten auch die Technogiganten Musk, Zuckerberg & Co. sowie auch der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar. Geht es nach ihm, soll das Grundeinkommen sämtliche Sozialversicherungen ersetzen. 1000 Euro sollen im Gegenzug Erwerbslosen und Minderbemittelten ein Grundeinkommen sichern. Die Mieten will Straub noch extra gewähren, doch wie, darüber schweigt er sich in seinem Buch aus. Bei ihm ist die Finanzierung ein Nullsummenspiel. Die Hauptsteuerlast sollen die Personen tragen, die Unternehmenssteuer will er kippen, um den gnadenlosen Wettbewerb noch mehr anzuheizen. Selbstredend liegt auch die Abschaffung des Bargeldes, an der die Finanzwelt arbeitet, im Interesse dieser Retter der Marktwirtschaft. Somit stünde der totalen Überwachung der Konsumgewohnheiten der Bevölkerung nichts mehr im Wege.
Der Volkswille und seine Schlächter Auch wenn die Guten sich von den Rettern der Marktwirtschaft distanzieren, ist nicht ausgeschlossen, dass sie spätestens dann, wenn die Volksinitiative für ein Grundeinkommen dem Parlament zur Umsetzung vorgelegt wird, zu Steigbügelhaltern der Visionen Letzterer werden. In bester Erinnerung die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, wo das Parlament die Forderung nach einem Inländervorrang in eine kostenintensive und nutzlose Stellenmeldepflicht mutierte. Befürchtungen dieser Art sind nicht unberechtigt. Den Guten sei orakelt: Ein Grundeinkommen wird aufgrund des politischen Kräfteverhältnisses erst dann umgesetzt, wenn sich damit Sozialkosten einsparen lassen. Und dann Gnade Gott den Menschen im fortgeschrittenen Alter, die zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten heute mit rund 3000 Franken zuzüglich Krankheitskosten abgesichert sind. Der Tsunami der Digitalisierungswelle wird sie erneut auf verlorenem Posten zurücklassen.
Darum Volksinitiative trotzdem unterschreiben Beiden Protagonisten eines Grundeinkommens ist gemein, dass sie damit indirekt eine Diskussion aufnehmen, die dringend geführt werden muss. Die Tsunamiwelle der Digitalisierung ist unterwegs. Ein gewaltiger daraus sich ableitender Reformstau noch nicht einmal in der politischen Pipeline, der überdies überschattet wird von einer machtvollen Diskussion über Viren, von der ungewiss ist, ob sie gerade deshalb zu dieser Zeit inszeniert wurde. Nehmen wir die Diskussion auf, indem wir mit einer Unterschrift den notwendigen Diskurs unterstützen. Ein JA für ein Zustandekommen der Volksinitiative für ein Grundeinkommen heisst ein JA für den notwendigen Gesellschaftsdiskurs, nicht aber zwangsläufig ein JA zur Abstimmung über das Anliegen.