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Warum sind wir so gereizt?

Warum sind wir so gereizt?

(HJ) Gemäss NZZ vom 29. August hat die verbale Gewalt zugenommen, die reale Gewalt jedoch sei zurückgegangen. Das mit Hinweis auf die Verbrecherstatistik. Aber hat die reale Gewalt wirklich abgenommen oder zeigt sie sich allenfalls in anderen Formen?

Die von der Autorin interviewten Fachleute nennen Dichtestress und soziale Instabilitätals mögliche Ursachen und belassen es bei der Feststellung, dass Aggression auch eine gesunde Seite habe. So weit so gut. Aber wäre es nicht primäre Aufgabe der Medien, die Ebene der Oberfläche zu verlassen und die Erscheinungsformen zu entmystifizieren, um die Energie hinter den unflätigen Worten rechtzeitig in sinnvolle Handlungsalternativen überzuführen?

Soziale Instabilität ergibt sich nicht von selbst, genau so wenig wie Dichtestress. Das sind lediglich Folgen verfehlter politischer Konzepte, die den Handlungsspielraum der Einzelnen immer mehr einschränken und damit Gefühle der Ohnmacht und Angst hervorrufen, die sich dann in Form einer emotionalen Sprache Luft verschaffen. Diese «unsichtbare Macht», die hinter diesen Entwicklungen steckt und den Alltag der Bevölkerung prägt, nennt sich in der Fachsprache «strukturelle Gewalt». Eine Form von Gewalt, die unsichtbar über uns niederprasselt. Gewalt, die unsere Lebensqualität auf eine Art und Weise prägt, die dem Wohlbefinden zuwiderläuft und die wir – weil unsichtbar– nicht zu fassen und benennen vermögen. Und die ist im Vormarsch. Alle wichtigen, unser Leben betreffenden Entscheidungen werden zunehmend auf Ebenen gefällt, die sich den demokratischen Institutionen entziehen. Angefangen von der Geldpolitik, der fortschreitenden Digitalisierung, die sich mittels Algorithmen immer mehr in die Seele des Einzelnen frisst, bis hin zur Gestaltung der Arbeit, wo sich die Mitarbeitenden zunehmend alternativlos der Konkurrenz durch die künstliche Intelligenz oder den Billigarbeitskräften aus dem Ausland gegenüber sehen.

Die Emotionen, die bei einer derart fremdbestimmten Lebensweise entstehen, schaffen sich vorläufig Luft über die Wutbürgersprache, die das Establishment bereit scheint, entgegenzunehmen, weil sie politisch nicht handlungswirksam ist. Gelingt es den politischen Eliten jedoch nicht, die sich dahinter verbergenden Themen demnächst ursächlich anzugehen und die Menschen wieder vermehrt in die lebenswichtigen Entscheidungen einzubinden, besteht real Gefahr, dass sich eine emotionale Stimmung heranbahnt, die wir meinten, bereits hinter uns gelassen zu haben.  

 

 

 

2. Nationale Digitale Konferenz – Die echten Probleme blieben unter dem Tisch

2. Nationale Digitale Konferenz – Die echten Probleme blieben unter dem Tisch

«Die Schweiz ist top aufgestellt bei der Digitalisierung und damit sie es auch bleibt, erhöhen wir demnächst die «Drittstaatenkontigente». Wer so daherredet ist kein anderer als SVP Bundesrat Ueli Maurer, der als Bundespräsident am 2. September die zweite Digitale Konferenz Schweiz in Basel eröffnete. Und weiter: «Wir schaffen mit der künstlichen Intelligenz (KI) mehr und interessantere Jobs. Wir müssen den Leuten nur die Angst nehmen. Wir müssen auch vermehrt Risiken eingehen, vorwärts gehen, nicht alle Hindernisse im Vorneherein bedenken.» Wozu, warum und unter welchen Bedingungen «top» sein, mit diesen und weiteren Fragen liess der Redner die Zuhörenden allein.

Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Entsprechend verlief die Konferenz. Nett, ohne Kontrahenten, die wichtigsten Themen blieben unter dem Tisch. Jugendlichen des Jugendparlamentes gewährte man einige kritische Worte. Social Medias würden die Isolation fördern, so die Meinung von über 50 Prozent der Befragten, deshalb stellt sich ihnen die Frage, wie sich die Technik nutzen lasse, um das Wohlbefinden zu fördern.

Über Auswirkungen der KI auf den Arbeitsmarkt und auf das Alter wurden keine Worte verloren, auch nicht über die Mühen mit dem Datenschutzgesetz und den gravierenden Sicherheitslücken in der Schweiz. Am Rande höchstens gab es Stimmen, die davor warnten, dass KI über die Algorithmen die Stereotypen und somit die Diskriminierung fördere.

Der breite Widerstand, der sich gegen die 5-G-Techik – Basis der Entwicklung der KI – im Lande formiert, u.a. über die Moratorien der Kantone Genf und Jura oder der Unwille breiter Bevölkerungsteile gegen die Umrüstung der SBB auf den Mobilfunkstandard, siehe Tagesanzeiger vom 2. Sept. , waren keine Themen. Warum auch, wenn der oberste Bundesrat doch ausdrücklich dazu aufruft, ja nicht alle Hindernisse schon im Vorneherein einzubeziehen.

Interessantes zeigte sich im direkten Austausch mit Fachleuten am Apéro: So würden dem Departement die Fachleute fehlen, um die zahlreichen Feedbacks auf das Datenschutzgesetz, das im Herbst endlich in den Nationalrat kommt, zu verarbeiten. Ein Beispiel für Sicherheitslücken zeige sich in der Nutzung von Unternehmen der Stimmenprofile. Wie die Post die Stimmerkennungssoftware einsetzt, wurde erstmals in einem Beitrag von 10vor10 vom 5. Mai bekannt. Da die Stimme auch viel verrät über den Charakter von Personen, werde dieses Analysetool auch bei Bewerbungsverfahren eingesetzt nach dem Motto: Zeig mir ein Video und ich sage dir wer du bist. Das erinnert doch an Mediamarkt, der vor kurzem in die Schlagzeilen geriet, weil sich alle Mitarbeitenden mit einem Video neu bewerben müssen. Offenbar lassen sich bereits chronische Krankheiten aus Stimmprofilen ablesen. Im «Ausland» sei das alles bereits verboten, doch hierzulande fehle der politische Wille und das Fachknowhow in der Verwaltung, so das Fazit.

Im November 2019 erscheint voraussichtlich der Bericht des Bundesrates zur KI. Wenn das alles unter «top» verstanden wird, lieber Bundespräsident, so ist es höchste Zeit für die Abwahl dieser Elite im Oktober.

Weitere Berichte
2019.09.03 Netzwoche 
2019.09.03 NZZ Digitalisierung verändert die Solidarität

 

Pranger für Sozialhilfebezüger

Pranger für Sozialhilfebezüger

Der Datenschutz von Sozialhilfebeziehenden ist in Gefahr. Christoph Eiymann, Präsident der Sozialhilfe-Konferenz im Interview mit dem Tagesanzeiger vom 23. August 2019. Wehret den Anfängen und schreibt Eure Meinungen an die Mitglieder der Staatspolitischen Kommission, die das Datenschutzgesetz vorberaten haben.
2019.08.26 Sonntagsblick


Kommentar Avenir50plus Schweiz

Druck auf Schwache: Billige Ablenkungsmanöver von einer politisch schwachen Elite
Beinahe kein Tag vergeht, an dem in unserem Lande nicht irgendwo eine Hetze gegen Sozialhilfebeziehende losgetreten wird. Sei es mit Forderungen nach Kürzungen des Grundbedarfs in den Kantonen oder nun aktuell über den Entscheid der vorberatenden Kommission des Nationalrates in der Frage des Datenschutzes. Es macht überhaupt keinen Sinn, diese Daten freizugeben, es sei denn, damit indirekt den Druck auf diese Zielgruppe zu erhöhen. Dazu zählen viele von Arbeitslosigkeit Betroffene ältere Sozialhilfebeziehende oder solche die bald dahin unfreiwillig abrutschen.

Dahinter steckt politisches Kalkül einer neoliberalen Politik. Jeder zusätzliche Druck auf Betroffene vergrössert deren Stress, verengt den Blick und erschwert die Handlungsfähigkeit. Dadurch fehlt den Betroffenen die Kraft, sich politisch für ihre Interessen einzusetzen, es reduziert aber auch die Ressourcen im Umgang mit dem erschwerten Arbeitsmarkt, insbesondere auch bei der Zielgruppe der Älteren.

Vor allem aber dienen Strategien des Herumtrampelns auf Schwachen dazu, von den eigenen Schwächen abzulenken. So fehlt es an allen Fronten an politischen Lösungen. Heben wir unseren Blick und zwingen diese politische Elite zu Antworten auf echte Probleme, die auf uns zurollen, wie Wirtschaft-, Finanz- und Umweltkrise.

 

 

 

 

 

Die IV spart auf Kosten der Sozialhilfe

2005 gab es 251 828 IV-Beziehende, Ende 2018 waren es noch 217 944. Das BSV meldet einen Rückgang von 13 Prozent, obwohl die Bevölkerung um 15 Prozent zugenommen hat. Das berichtete 10vor10 und weitere Medien. Was wie ein Erfolg daherkommt, ist lediglich Ausdruck einer strengeren Selektion, die Betroffene auf die Sozialämter abschiebt. Das zeigt sich in einer Zunahme von 43 000 Sozialhilfeempfangenden für den gleichen Zeitraum. Der Preis für diese scheinheilige Politik zahlen vor allem auch Ältere, denen nach einer langen Berufskarriere, die zu Rückenschäden und sonstigen Gebrechen führte, der Gang aufs Sozialamt nicht erspart bleibt, weil die IV, der sie ein Leben lang Beiträge entrichteten, sich vornehm vor der Verantwortung drückt. Ein zynisches Spiel auf Kosten der Schwächsten, kommentiert der Blick zu Recht.

SVP-Politik: Angstklima verengt Blick mit Folgekosten

SVP-Politik: Angstklima verengt Blick mit Folgekosten

Der Druck, der die SVP auf die Sozialhilfe ausübt, bleibt nicht ohne Wirkung. Verängstigte Leitende von Sozialämtern scheuen sich immer mehr davor, den gesunden Menschenverstand anzuwenden, wenn es um Rechtsauslegung geht. Sie schieben unbescholtene ältere Sozialhilfebeziehende lieber an die Staatsanwaltschaft ab, statt bei der Beurteilung ihren Ermessensspielraum zu nutzen.

Was das mit Menschen tut, davon erzählt die Geschichte von Herr Meier (Name geändert), der sich vor wenigen Tagen am Boden zerstört bei Avenir50plus meldete. Einst tätig in einer Führungsposition, rutschte er aufgrund eines Mobbings mit Burnout-Folgen in die Sozialhilfe ab. Ein Kuraufenthalt hat ihn wieder einigermassen auf die Beine gebracht. Irgendwann, als er bereits beim Sozialamt gemeldet war, überwies ihm die Arbeitslosenkasse noch rund 4000 Franken. Was wünscht man sich nicht mehr als solch ein Betrag, wenn man gleichzeitig noch Vater eines Kindes ist und von 977 Franken Grundbedarf den Lebensunterhalt bestreiten muss. Der Mann, der sich stets pflichtbewusst beworben hat, was ihm durch das RAV auch bestätigt wurde, dachte nichts Unrechtes dabei, als er das Sozialamt davon nicht in Kenntnis setzte. Immerhin gestatten die SKOS-Richtlinien ja auch ein Vermögen von 4000 Franken.

Als das Sozialamt davon erfuhr, drohte sie Herr Meier mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft sowie mit einem monatlichen Abzug von 300 Franken (!) vom Grundbedarf von 977 Franken während anderthalb Jahren.  Die Aussicht auf eine Anzeige erhöhte in der Folge seine depressive Stimmung, die bereits angelegt war durch die erfolglose Jobsuche.

Avenir50plus hat daraufhin Kontakt mit der Leitung Sozialamt sowie mit der übergeordnet politisch zuständigen Person aufgenommen. Beide wollten partout nicht Kenntnis davon nehmen, dass das Recht sich anders verhält als angenommen: Fälle, in denen betroffene Personen offensichtlich ohne es zu wollen gegen Art. 85 SHG verstossen, sind nämlich von der Anzeigepflicht ausgenommen. Nach langem Hin- und Her setzt sich jetzt doch vielleicht der gesunde Menschenverstand beim Sozialamt durch, aber Gewissheit wollte man Avenir50plus noch nicht geben.
Mehr zu diesem Thema

830 000 Personen wollen arbeiten oder ihre Pensen aufstocken

In keinem Land in Europa ist der Anteil der Unterbeschäftigten so hoch wie in der Schweiz, schreibt die NZZ vom 24. Juli. Europaweit ist Teilzeitarbeit nur in den Niederlanden höher als in der Schweiz. Die Gründe dafür, dass das Potential der Frauen am Arbeitsmarkt nicht ausgeschöpft ist, liegen nicht nur bei der Steuergesetzgebung, wie dies die NZZ analysiert. Viele Frauen wollen arbeiten, aber man speist sie mit Kleinstpensen ab, die unter der Eintrittsschwelle ins BVG liegen. Im Unterschied zu den europäischen Ländern kennt die Schweiz kein Altersdiskriminierungsgesetz. Die Diskriminierung von Älteren auf dem Arbeitsmarkt gehört somit zur Tagesordnung. Weiterlesen in der NZZ.

Achtung Erwerbslose: Jeder Rappen auf 10 Jahre zurück ausweisen, wer EL will

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Wer künftig EL beantragt, muss auf 10 Jahre zurück den Vermögensverzehr ausweisen. Nebst den Lebenshaltungskosten darf jährlich nur 1/10 des Vermögens verbraucht werden, sonst werden die EL-Leistungen gekürzt. Was es unter «Lebenshaltungskosten» zu verstehen gilt, hat der Gesetzgeber auf Verordnungsebene an den Bundesrat delegiert. Aber auch der Entwurf der Verordnung, zu dem Avenir50plus Schweiz eine Stellungnahme verfasst hat, klärt den Begriff der «Lebenshaltungskosten» nicht. Wichtig zu wissen ist das vor allem für Erwerbslose, die im Alter Ü55 von ihrem Vermögen leben müssen. Wäre damit das Existenzminium der Sozialhilfe oder der EL-Leistungen gemeint, wäre das ein absolut unverhältnismässiger Eingriff in das Eigentumsrecht.

Stellungnahme zur EL-Verordnung
Verordnung

 

Zoff beim Initiativkomitee «Schutz vor Altersdiskriminierung»

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Avenir50plus Schweiz hat im letzten Jahr viel Arbeit ins Zustandekommen einer breiten Allianz gegen Altersdiskriminierung investiert. Das Bündnis steht. Ziel war es ursprünglich, die eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Altersdiskriminierung» noch vor den Parlamentswahlen im Herbst 2019 zu lancieren. Breite Bündnisse in der Startphase haben Vor- aber auch Nachteile. Ein Teil der Bündnispartner wollte Altersdiskriminierung vor allem am Beispiel des hohen Alters ins Zentrum der Diskussion rücken, so u.a. humanrights.ch und die Verbände der Senioren, ein anderer Teil, und zu dem zählt sich Avenir50plus, sieht eine erfolgreiche Strategie in einer breiteren Auslegung; Diskriminierung aufgrund des Lebensalters und das kann alle in jedem Lebensalter betreffen. Eine ältere Umfrage zeigt denn auch, dass sich die Jungen sogar noch mehr aufgrund des Lebensalters diskriminiert fühlen als Ältere. Sichtbar wird die Altersdiskriminierung jedoch gegenwärtig am deutlichsten auf dem Arbeitsmarkt 50plus und hier liessen sich auch die meisten Stimmen mobilisieren. Avenir50plus hat sich in der Folge aus dem Präsidium zurückgezogen, wird das Anliegen aber in der Sammelphase, die wahrscheinlich auf Frühling 2020 festgesetzt wird, weiterhin aktiv unterstützen. Mag sein, dass der Rückzug aus dem Präsidium in der Folge nun doch zur bevorzugten Strategie führt. Manchmal bringt weniger mehr.

Der Vorstand von Avenir50plus Schweiz hat beschlossen, eine Rechtsschrift bei Prof. Dr. Kurt Pärli, Juristische Fakultät Basel, in Auftrag zu geben, die Aufschluss darüber bringen soll, was ein Altersdiskriminierungsgesetz für den Arbeitsmarkt 50plus bringen könnte. 

Dossier Altersdiskriminierung

 

Suizid: Erwerbslose besonders gefährdet

Gemäss Tagesanzeiger vom 21. Juli ereigneten sich zwischen 1990 und 2014 beinahe 20 000 Suizide in der Schweiz. Die Suizidrate in der Schweiz ist damit einiges höher als im europäischen Schnitt. Zu den Versuchen, die nicht tödlich enden reicht die Spannweite von 15 00 bis 20 000 jährlich.

Besonders gefährdet sind Personen ohne Arbeit, wie eine Studie aufzeigt. Verwunderlich ist das nicht. Viele fühlen sich ausgegrenzt, in ihrem Bedürfnis der Zugehörigkeit verletzt, wie Gespräche mit Betroffenen zeigen. Zusätzlich sind es Geldsorgen und Ängste vor Altersarmut, die wirksam werden. Die Politik fordert mehr Forschung und Präventivmassnahmen. Das ist wichtig, reicht aber nicht. Besser und wirksamer: Stoppen wir eine Politik, die stets versucht, Schattenseiten des Systems der Verantwortung des Individuums zu überantworten. Damit verursacht man Scham und Isolation beim Einzelnen, die sich oft als Vorboten von Suizid zeigen.

 

«Wir müssen ehrlich über die Schattenseiten der Globalisierung reden»

«Wir müssen ehrlich über die Schattenseiten der Globalisierung reden»

(hj) Die einen schweigen zu den negativen Folgen der Migration, die anderen zur wachsenden Ungleichheit bei Löhnen und Vermögen. Statt die Bürger mit Plattitüden wie «Guter Lohn für gute Arbeit» abzuspeisen, gälte es die Probleme zu lösen. Diese Schelte kommt nicht etwa von Avenir50plus Schweiz, sondern von NZZ-Chefredaktor Eric Guyer (Ausgabe vom 9. August). Gleichzeitig warnt er vor einem Tsunami. Das in Erinnerung an die goldenen Zwanziger-Jahre, die ein braunes Ende fanden. Teil einer Angstrhetorik der Machteliten, wie diese Rainer Mausfeld in seinem neuen Buch «Angst und Macht in kapitalistischen Demokratien» thematisiert oder Wahrnehmung der Verantwortung, die Medien in der Rolle als vierte Gewalt in Anspruch nehmen? Die Berichterstattung der NZZ vor den eidgenössischen Parlamentswahlen wird sichtbar machen, was Sache ist.

Also reden wir darüber, was älteren Erwerbslosen zunehmend Sorge bereitet: Die Art und Weise, wie der Arbeitsmarkt und das Geldsystem hierzulande schöngeredet werden. Auch von der NZZ. Glaubt man Banken-Insider Dr. Markus Krall, so steht der Finanz-Crash 2020 vor der Türe. Rund zehn Prozent der Unternehmen, so Krall, seien Zombie-Unternehmen, die nur dank der Tiefzinspolitik am Leben sind. Diese Politik schmälere aber auch die Eigenkapitalrate der Banken, was diese demnächst in den Ruin treibe. Auch wenn der Rating-Spezialist und Erfolgsautor deren Ende vor allem für den EU-Raum voraussagt und den Anlegern rät, ihr Geld in Schweizer Franken oder in Singapur anzulegen, wird dies nicht ohne Folgen für die Schweiz bleiben. Wird der Franken noch mehr aufgewertet, schadet dies der Exportindustrie, die sich bereits durch andere Handelshemmnisse gebeutelt sieht. Zudem wird ein Zusammenbruch der europäischen Wirtschaft unvorstellbare Auswirkungen auch auf unser Land haben. Gleichzeitig werden im Zuge der Digitalisierung viele Jobs wegfallen, worauf u.a. auch NZZ-Chefredaktor Guyer in der letzten Sendung «Standpunkte» hingewiesen hat. 

Selbst wenn all diese dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel nicht einen Tsunami zur Folge haben, was zu hoffen bleibt, wird jeder Abbau von Arbeitsplätzen vermehrt Ältere treffen. Klartext reden zwei Studien der Hochschule Luzern: Selbst Unternehmen stufen das Klima in den Betrieben altersdiskriminierend ein. Bei gleichen Qualifikationen gibt eine Mehrheit den Jüngeren den Vorzug gegenüber Älteren. Allein 2018 meldete das Seco über 11 000 Personen, die im Alter Ü50 ausgesteuert wurden. Der Vorschlag des Bundesrates zu einer Überbrückungsrente Ü60 (für rund 2000 Ausgesteuerte), die quasi als Belohnung in Aussicht gestellt wird, wenn die Älteren schön brav gegen die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit stimmen, ist ein lächerlicher Akt einer hilflosen Regierung. Trotz der grossen Linien soll das aktuelle Leid vieler älterer Erwerbslosen nicht unerwähnt bleiben, deren Bewerbungen, täglich von den Algorithmen der Bewerbungsfilter erfasst, ungelesen in der Retourschleife landen, nur weil sich die Schweiz immer noch kein Altersdiskriminierungsgesetz leistet.  

Wie nur finden wir zurück in eine solidarische Gesellschaft voller Empowerment, die Abschied nimmt von einer Angstkultur, die das Wohlbefinden der Menschen, und zwar aller Hautfarben, wieder in den Fokus rückt, die Gelder vom Finanzkasinokapitalmarkt wieder zurück in die Realwirtschaft führt, um nachhaltige Wirtschaftskonzepte zu finanzieren? Ein Erstarken der «Mitte» im Herbst, von der sich die NZZ eine Lösung verspricht, führt nur zu mehr des Gleichen. Gefordert sind alle, hier und jetzt, in allen Funktionen; die Intellektuellen, Wissenschaftler und Professoren in ihren Elfenbeintürmen genauso wie die Medienschaffenden und Konsumenten. Empört, bewegt und engagiert euch im Sinne von Stéphan Hessel, Greta, Rainer Mausfeld oder Bankenprofessor Marc Cesney, der laut Tagesanzeiger vom 8. August seine Fachkenntnisse und seinen Status mittels «Volksinitiative für eine Mikrosteuer» in den Dienst der arbeitenden Bevölkerung stellt.