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Suizid: Erwerbslose besonders gefährdet

Gemäss Tagesanzeiger vom 21. Juli ereigneten sich zwischen 1990 und 2014 beinahe 20 000 Suizide in der Schweiz. Die Suizidrate in der Schweiz ist damit einiges höher als im europäischen Schnitt. Zu den Versuchen, die nicht tödlich enden reicht die Spannweite von 15 00 bis 20 000 jährlich.

Besonders gefährdet sind Personen ohne Arbeit, wie eine Studie aufzeigt. Verwunderlich ist das nicht. Viele fühlen sich ausgegrenzt, in ihrem Bedürfnis der Zugehörigkeit verletzt, wie Gespräche mit Betroffenen zeigen. Zusätzlich sind es Geldsorgen und Ängste vor Altersarmut, die wirksam werden. Die Politik fordert mehr Forschung und Präventivmassnahmen. Das ist wichtig, reicht aber nicht. Besser und wirksamer: Stoppen wir eine Politik, die stets versucht, Schattenseiten des Systems der Verantwortung des Individuums zu überantworten. Damit verursacht man Scham und Isolation beim Einzelnen, die sich oft als Vorboten von Suizid zeigen.

 

«Wir müssen ehrlich über die Schattenseiten der Globalisierung reden»

«Wir müssen ehrlich über die Schattenseiten der Globalisierung reden»

(hj) Die einen schweigen zu den negativen Folgen der Migration, die anderen zur wachsenden Ungleichheit bei Löhnen und Vermögen. Statt die Bürger mit Plattitüden wie «Guter Lohn für gute Arbeit» abzuspeisen, gälte es die Probleme zu lösen. Diese Schelte kommt nicht etwa von Avenir50plus Schweiz, sondern von NZZ-Chefredaktor Eric Guyer (Ausgabe vom 9. August). Gleichzeitig warnt er vor einem Tsunami. Das in Erinnerung an die goldenen Zwanziger-Jahre, die ein braunes Ende fanden. Teil einer Angstrhetorik der Machteliten, wie diese Rainer Mausfeld in seinem neuen Buch «Angst und Macht in kapitalistischen Demokratien» thematisiert oder Wahrnehmung der Verantwortung, die Medien in der Rolle als vierte Gewalt in Anspruch nehmen? Die Berichterstattung der NZZ vor den eidgenössischen Parlamentswahlen wird sichtbar machen, was Sache ist.

Also reden wir darüber, was älteren Erwerbslosen zunehmend Sorge bereitet: Die Art und Weise, wie der Arbeitsmarkt und das Geldsystem hierzulande schöngeredet werden. Auch von der NZZ. Glaubt man Banken-Insider Dr. Markus Krall, so steht der Finanz-Crash 2020 vor der Türe. Rund zehn Prozent der Unternehmen, so Krall, seien Zombie-Unternehmen, die nur dank der Tiefzinspolitik am Leben sind. Diese Politik schmälere aber auch die Eigenkapitalrate der Banken, was diese demnächst in den Ruin treibe. Auch wenn der Rating-Spezialist und Erfolgsautor deren Ende vor allem für den EU-Raum voraussagt und den Anlegern rät, ihr Geld in Schweizer Franken oder in Singapur anzulegen, wird dies nicht ohne Folgen für die Schweiz bleiben. Wird der Franken noch mehr aufgewertet, schadet dies der Exportindustrie, die sich bereits durch andere Handelshemmnisse gebeutelt sieht. Zudem wird ein Zusammenbruch der europäischen Wirtschaft unvorstellbare Auswirkungen auch auf unser Land haben. Gleichzeitig werden im Zuge der Digitalisierung viele Jobs wegfallen, worauf u.a. auch NZZ-Chefredaktor Guyer in der letzten Sendung «Standpunkte» hingewiesen hat. 

Selbst wenn all diese dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel nicht einen Tsunami zur Folge haben, was zu hoffen bleibt, wird jeder Abbau von Arbeitsplätzen vermehrt Ältere treffen. Klartext reden zwei Studien der Hochschule Luzern: Selbst Unternehmen stufen das Klima in den Betrieben altersdiskriminierend ein. Bei gleichen Qualifikationen gibt eine Mehrheit den Jüngeren den Vorzug gegenüber Älteren. Allein 2018 meldete das Seco über 11 000 Personen, die im Alter Ü50 ausgesteuert wurden. Der Vorschlag des Bundesrates zu einer Überbrückungsrente Ü60 (für rund 2000 Ausgesteuerte), die quasi als Belohnung in Aussicht gestellt wird, wenn die Älteren schön brav gegen die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit stimmen, ist ein lächerlicher Akt einer hilflosen Regierung. Trotz der grossen Linien soll das aktuelle Leid vieler älterer Erwerbslosen nicht unerwähnt bleiben, deren Bewerbungen, täglich von den Algorithmen der Bewerbungsfilter erfasst, ungelesen in der Retourschleife landen, nur weil sich die Schweiz immer noch kein Altersdiskriminierungsgesetz leistet.  

Wie nur finden wir zurück in eine solidarische Gesellschaft voller Empowerment, die Abschied nimmt von einer Angstkultur, die das Wohlbefinden der Menschen, und zwar aller Hautfarben, wieder in den Fokus rückt, die Gelder vom Finanzkasinokapitalmarkt wieder zurück in die Realwirtschaft führt, um nachhaltige Wirtschaftskonzepte zu finanzieren? Ein Erstarken der «Mitte» im Herbst, von der sich die NZZ eine Lösung verspricht, führt nur zu mehr des Gleichen. Gefordert sind alle, hier und jetzt, in allen Funktionen; die Intellektuellen, Wissenschaftler und Professoren in ihren Elfenbeintürmen genauso wie die Medienschaffenden und Konsumenten. Empört, bewegt und engagiert euch im Sinne von Stéphan Hessel, Greta, Rainer Mausfeld oder Bankenprofessor Marc Cesney, der laut Tagesanzeiger vom 8. August seine Fachkenntnisse und seinen Status mittels «Volksinitiative für eine Mikrosteuer» in den Dienst der arbeitenden Bevölkerung stellt.

 

Abschied von Ruedi Lötscher, Mitbegründer Avenir50plus

Abschied von Ruedi Lötscher, Mitbegründer Avenir50plus

Viel zu früh bist du im Alter von 65 Jahren von uns gegangen, lieber Ruedi. Und ohne Vorwarnung. Du, der im Jahre 2012 zusammen mit Herbert Nell und mir unseren Verein gegründet hast. Die Zeitung, bei der du zuvor als Layouter gearbeitet hast, wurde an einen grossen Verlag verkauft. Wie wir damals, warst auch du im Alter 50plus auf der Suche nach bezahlter Arbeit. Statt in einen Kurs für «Indesign», dem Nachfolgeprogramm von «QuarkXpress» schickte dich das RAV in einen Power-Point-Kurs (!), was das frühzeitige Ende deiner Berufskarriere besiegelte.

Ich erinnere mich noch, wie wenn es gestern gewesen wäre, als wir zusammen am Zukunftskongress 2012 der Luzerner Hochschule uns ungefragt unter das Publikum mischten, um mit dem bekannten Lied von Mani Matter «Dene wos guet geiht…» die Fachleute auf die Nöte von Erwerbslosen 50plus aufmerksam zu machen. Auf dem Bild nebenan sieht man dich mit Gitarre, zusammen mit Regierungsrat Guido Graf. Es darf angenommen werden, dass unser origineller Auftritt Graf kurze Zeit später dazu veranlasste, unsere Petition «Bessere Arbeitsmarktchancen für Arbeitnehmende 50plus», die eine kantonale Subventionierung der Pensionskassenbeiträge für Stellensuchende 50plus verlangte, entgegenzunehmen.

Irgendwann hast du dann unseren Verein verlassen, weil dir das «Opfer-Gejammer» der Betroffenen unerträglich schien. Du versuchtest aus der Situation das Beste zu machen und hast deinem Leben auf deine Weise einen neuen Sinn gegeben. So war es dir wichtig, vom knapp bemessenen Sozialhilfegeld 10 Prozent an weitere Bedürftige abzugeben. Einen Teil deiner Zeit hast du einem alten Menschen geschenkt, der an Parkinson litt. Jedes Mal, wenn ich dich per Zufall auf der Strasse traf, erzähltest du mir von all den Büchern, die du in der Zwischenzeit verschlungen hast. Meist waren es Neuerscheinungen von namhaften Ökonomen wie David Graeber oder von Historikern wie Yuval Harari oder Philosophen wie David Precht. Der Traum von einer menschlicheren Welt hat dich genährt, doch war dir nur allzu bewusst, dass jede Änderung bei sich selbst anfängt. Nie habe ich eine Klage gehört über deinen gesundheitlichen Zustand, der dich immer wieder vor neue Herausforderungen stellte. Auch wenn Arbeitslosigkeit und die damit einhergehende Ausgrenzung aus der Gesellschaft nicht das einzige Risiko ist, das Gesundheit beeinflusst, so darf die Wirkung nicht unterschätzt werden. Gäll Ruedi, du gestattest mir diese Bemerkung zum Abschied.
Für mich warst und bist du ein grosses Vorbild. Adieu, du wertvoller Mensch.
Heidi Joos

Beisetzung: 23. August, 15.00 Uhr, Abdankungshalle Friedental

Avenir50plus: Architektin der Überbrückungsrente

Avenir50plus: Architektin der Überbrückungsrente

Die NZZ am Sonntag vom 8. Juli sowie die Sendung Kontext SRF vom 9. Juli widmeten der Erwerbslosigkeit Ü50 einen Beitrag. Der Vorschlag einer Überbrückungsrente für 60-Jährige, die ausgesteuert werden, wird dabei von beiden indirekt befürwortet. Rund vier Jahre wird das politische Prozedere bis zur Umsetzung in Anspruch nehmen, falls die politischen Mehrheiten diese Lösung erlauben. Auch wenn sich jetzt andere als Architekten dieser «Übergangslösung» inszenieren, Avenir50plus Schweiz hat diese Massnahme bereits zu Beginn der Jahreskonferenzen Alter und Arbeitsmarkt vor vier Jahren zur Diskussion gestellt und an der SKOS Jahreskonferenz 2017 in Freiburg mit einer Aktion erneut zur Diskussion gestellt. Siehe dazu Flyer.

Trotz der Kehrtwende des Bundesrates stellt sich die berechtigte Frage, ob damit die Probleme der Betroffenen vom Tisch sind. Nein, ganz und gar nicht. Die Diskriminierung von älteren Jobsuchenden hat laut Statistik zugenommen. Viele werden gar nie in den Genuss einer Überbrückungsrente kommen, weil sie vor 58 die Kündigung erhalten haben. Ein Gesetz zum Schutz vor Altersdiskriminierung, wie es die breite Allianz gegen Altersdiskriminierung fordert, würde die Lage der Betroffenen verbessern, darin sind sich die Autoren des Seco-Berichtes «Alterung und Beschäftigung» einig. Doch wie Erfahrungen von anderen Ländern zeigen, müsste ein Gesetz zwangsläufig von einer breit angelegten öffentlichen Sensibilisierungskampagne begleitet werden, denn solange die falschen Altersbilder sich in den Köpfen der Bevölkerung und Entscheidungsträger fortpflanzen, solange wird sich die darauf gestützte Diskriminierung des Alters aufrechterhalten.

Link zur Vernehmlassung des Bundesrates

Sozialbericht 2019: Ältere werden bei Jobsuche mehr diskriminiert

Sozialbericht 2019: Ältere werden bei Jobsuche mehr diskriminiert

Der soeben veröffentlichte statistische Sozialbericht 2019 belegt, was wir schon lange wissen: Sechs von zehn älteren Erwerbslosen gehören zu den Langzeitarbeitslosen mit teilweise katastrophalen Auswirkungen für Betroffe. Der SKOS Geschäftsführer fordert im Tagesschaubeitrag vom 7. Juli 2019 Anschlusslösungen für Ausgesteuerte sowie vermehrte Bildungsangebote. Doch das alleine reicht nicht. Die Schweiz benötigt dringend ein Altersdiskriminierungsgesetz, so wie es im EU-Raum bereits vor Jahren umgesetzt wurde.
Statistischer Sozialbericht 2019

Bloss nicht alt aussehen!

Bloss nicht alt aussehen!

Dynamisch oder mit Erfahrung? Werden Fotos von 30-Jährigen durch eine Software 20 Jahre älter gemorpht, haben die fiktiven Jobanwärter deutlich weniger Chancen, dass die Bewerbung gut bewertet wird. Dass die Altersdiskriminierung in der Schweiz unterschätzt wird, gilt es im aktuellen Wissenschaftsmaganzin Horizonte zu lesen. Zum Beitrag

Verordnung EL: Krämerischer Kleingeist

Verordnung EL: Krämerischer Kleingeist

Achtung Erwerbslose: Jeder Rappen auf 10 Jahre zurück ausweisen, wer EL beantragt

Wer künftig EL beantragt, muss auf 10 Jahre zurück den Vermögensverzehr ausweisen. Nebst den Lebenshaltungskosten darf jährlich nur 1/10 des Vermögens verbraucht werden, sonst werden die EL-Leistungen gekürzt. Was es unter «Lebenshaltungskosten» zu verstehen gilt, hat der Gesetzgeber auf Verordnungsebene an den Bundesrat delegiert. Aber auch der Entwurf der Verordnung, zu dem Avenir50plus Schweiz eine Stellungnahme verfasst hat, klärt den Begriff der «Lebenshaltungskosten» nicht. Wichtig zu wissen ist das vor allem für Erwerbslose, die im Alter Ü55 von ihrem Vermögen leben müssen. Wäre damit das Existenzminium der Sozialhilfe oder der EL-Leistungen gemeint, wäre das ein absolut unverhältnismässiger Eingriff in das Eigentumsrecht.

Stellungnahme zur EL-Verordnung
Verordnung

Älterer Artikel: Das kürzlich revidierte Ergänzungsleistungsgesetz soll Anfang 2021 in Kraft treten. Die entsprechende Verordnung ist seit Anfang Juni 2019 bei den Verbänden und Parteien in Vernehmlassung (Frist: 19.9). Wer künftig im Alter Ergänzungsleistungen (EL) will, um den Lebensunterhalt zu decken, muss den Vermögensverzehr der letzten zehn Jahre im Detail belegen! Ressourcenvoller Umgang mit Steuergeldern in Ehren, würde man mit eben diesem krämerischen Kleingeist, der die EL-Gesetzesrevision dominierte, dem Treiben des Finanzkasinokapitalmarktes Grenzen setzen, es würde sich dies für den Staat um ein Vielfaches mehr lohnen. Etwas über 40 Millionen soll die Revision pro Jahr an Einsparungen generieren oder 401 Millionen bis 2030.

Anspruch auf EL haben grundsätzlich Personen mit Reinvermögen unter
100 000 Franken, bzw. bei Ehepaaren 200 000 Franken. Bei alleinstehenden AHV-Beziehenden wird ab Vermögen von 30 000 Franken und bei Ehepaaren ab 50 000 Franken 1/10 des Reinvermögens als Einkommen angerechnet. Für Erwerbslose neu ist Art. 47a des Gesetzes, wonach, wer nach Vollendung des 58. Jahres erwerbslos wird, in der Pensionskasse verbleiben darf. Der Versicherte muss nicht, aber darf weiterhin freiwillig Beiträge einzahlen. Ob diese Regelung den Betroffenen mehr bringt als die Kapitalauszahlung ist fragwürdig und gilt es im Einzelfall zu prüfen.

Auch übermässiger Vermögensverzehr wird bei der Berechnung berücksichtigt. Wer jährlich ab dem Zeitpunkt des Bezuges der AHV mehr als 10 Prozent des Vermögens verbraucht, dem wird dieser Betrag so angerechnet, als ob das Vermögen noch vorhanden wäre. Als Ausnahmen sind vorgesehen; u.a. die Ausgaben für den gewohnten Lebensunterhalt während der Jahre vor dem Bezug der Ergänzungsleistungen (EL). Gemeint sind damit die letzten zehn Jahre vor Bezug der AHV.

In der Verordnung bleibt unklar, was der Begriff «Gewohnter Lebensunterhalt» beinhaltet. Einmal angenommen, das Jahressalär betrug vor der Arbeitslosigkeit 100 000 Franken. Statt Sozialhilfe einzufordern, deckt der 60-Jährige die Lebenshaltungskosten bis zum AHV-Bezug mit dem ausbezahlten Pensionskassengeld. Wie viel darf er nun verbrauchen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, um sich später Abzüge bei den Ergänzungsleistungen zu ersparen? In einem anderen Beispiel wartet der 60-Jährige mit der Auszahlung der Pensionskassengelder und bezieht dafür Sozialhilfe bis zum Zeitpunkt der Zwangspensionierung (62 J. bei F, 63 J. bei M). In diesen drei Jahren muss er, alleinstehend, mit einem Grundbedarf von 986 Franken exkl. Miete von rund 900 Franken, den Unterhalt bestreiten. Darf er nun nach Auszahlung der Pensionskassengelder für seinen gewohnten Lebensunterhalt nur Ausgaben in der Höhe der vormals bezogenen Sozialhilfegelder ausgeben, um später beim Bezug von EL nicht benachteiligt zu werden oder gilt als Standard der über weite Teile seines Lebens gelebte höhere Lebensstandard? Klarheit schafft die Verordnung für diese Fälle nicht.

Nicht als Vermögensverzehr wertet die Verordnung Zahnarzt- und Krankenkosten, Ausgaben für den Werteerhalt der Liegenschaften sowie unfreiwillige Vermögensverluste, wie u.a. Verluste durch Börsenspekulation! Das Geldspiel an der Börse wird nicht bestraft, dafür aber dasjenige der Kleinen an den Spielautomaten, obwohl ersteres für die Wirtschaft belastender oder gefährlicher sein könnte.

Erwerbslosen stellt sich u.a. die Frage, wie sich denn der Kauf eines Autos im Alter von 56 Jahren, eventuell im Hinblick auf eine bessere Vermittelbarkeit, auf den späteren Bezug von EL auswirkt? Ein Auto gilt genauso wie der Kauf von Schmuck lediglich als Vermögensumschichtung, wird beim Vermögensverzehr kaum oder nicht in Rechnung gestellt.

Inwiefern wird nun ein Erwerbsloser, heute 55-jährig in der Rückschau auf die letzten 10 Jahre seines Vermögensverzehrs betroffen sein, wenn er einst EL beantragen muss? Die Übergangsfristen sehen vor, dass das Jahr der Inkrafttretung (voraussichtlich 2021) zum Referenzjahr wird. Bezieht also jemand im Jahre 2022 die AHV, dann muss er seinen Vermögensverzehr nur bis 2021 zurück ausweisen, also lediglich während eines Jahres, bei 2023 sind es dann zwei Jahre usw. Der heute 55-jährige, der in zehn Jahren die ordentliche Pension bzw. in acht Jahren die Zwangspensionierung antritt, muss noch acht bzw. sechs Jahre zurück seine Belege für den Vermögensverzehr vorlegen.

Auf diejenigen, die bereits EL beziehen wird das Gesetz drei Jahre nach Inkrafttretung ebenfalls Anwendung finden, was u.a. auch den Verlust von EL zur Folge haben könnte. Näheres findet sich in den Übergangsbestimmungen zum Gesetz Seite 2612.

Wehe den Personen, die ins Alter kommen und vielleicht zu den Illetristen, zu den Menschen gehören, die eine Lese- und Schreibschwäche aufweisen – in der Schweiz sind es rund 800 000 an der Zahl – und die die Belege und Beweise ihres Vermögensverzehrs während den letzten 10 Jahren vorlegen müssen! Wahrscheinlich wird der Aufwand der Beratungspersonen dieser Zielgruppe höher zu stehen kommen, als die Einsparungen, die durch diese Massnahmen erzielt werden, oder aber es wird einige automatisch davon abhalten, die ihnen rechtlich zustehenden Ergänzungsleistungen zu beantragen. Und das wäre dann ganz im Sinne der Mehrheit des heutigen Parlamentes.

Avenir50plus Schweiz bittet alle um Input zur Vernehmlassung der EL-Verordnung. Abänderungsvorschläge sind lediglich möglich zur Präzisierung der Gesetzesartikel, nicht jedoch zu den Gesetzesartikeln selbst, denn diese wurden vom Parlament bereits verabschiedet.
Gesetz
Verordnung in Vernehmlassung bis 19.9.2019

Massnahmenpaket für Ältere: Damit ist Altersdiskriminierung nicht vom Tisch

Massnahmenpaket für Ältere: Damit ist Altersdiskriminierung nicht vom Tisch

Nach fünf Jahren Leerlauf bei den Konferenzen Alter und Arbeitsmarkt macht der Bundesrat erstmals Zugeständnisse an die älteren Erwerbslosen.
Ab 40 Jahren werden Standortbestimmungen gratis gewährt, die Beratung der älteren Stellensuchenden soll intensiviert werden, ab 60 stehen auch Ausgesteuerten arbeitsmarktliche Massnahmen zur Verfügung und diejenigen, die nach 60 ausgesteuert werden, erhalten eine Überbrückungsrente, die sich am Vermögen orientiert (Einzelpersonen 100 000.-, Ehepaare 200 000.-). Wer Eigentum besitzt wird privilegiert, denn dieses Vermögen wird nicht angerechnet im Gegensatz zu den Ersparnissen derjenigen, die es nie zu Eigentum gebracht haben, weil ihre Löhne nur fürs Nötigste ausreichten. Der Schachzug des Bundesrates spricht eine klare Sprache: Beruhigung der Mittelschicht, um die Personenfreizügigkeit nicht zu gefährden und die Wahlen derjenigen im Herbst zu sichern, die die letzten vier Jahre nichts für die Reduktion der Ängste der Älteren getan haben.

Die Forderung der SKOS «Keine Aussteuerung 55plus» wird damit nur teilweise erfüllt, denn sie forderte eine Absicherung bereits für jene, die mit 55 Jahren ihre Stelle verlieren. Gegen Gratis-Standortbestimmungen ab 40 Jahren ist an sich nichts einzuwenden, doch Beratung alleine führt noch nicht zu einem flexiblen offenen Arbeitsmarkt mit Jobs und Quereinsteigermodellen für Ältere oder einen Zugang zu Stipendien. Damit die Massnahmen, die an sich in die richtige Richtung zielen nicht zum Bumerang werden, in dem man ältere Mitarbeitende noch früher durch jüngere und billigere ersetzt, benötigt es dringend einen gesetzlichen Schutz vor Altersdiskriminierung, wie das eine angekündigte Volksinitiative fordert.
Laut 20 Minuten reagierte SVP-Nationalrat Grüter kritisch darauf, dass der Bund den Flüchtlingen 12 000 Franken Arbeitszuschüsse bezahlt um diese schneller in Arbeit zu bringen. Die hohen Beiträge stünden im Missverhältnis zu dem, was der Staat für die eigenen Bürger auszugeben bereit sei. Derzeit würden monatlich rund 4000 Erwerbslose über 50 ausgesteuert. Aber Herr Grüter, wenn schon Zahlen, dann richtig. Im Monat Februar waren es insgesamt rund 2562 Austeuerte schweizweit, davon wahrscheinlich ein Drittel über 50. Immer noch genug. Zudem gewährt die Arbeitslosenversicherung auch Älteren Einarbeitungszuschüsse bis zu einem Jahr. Bei einem Lohn von 5000 Franken wären das im ersten halben Jahr bereits 18 000 Franken und im zweiten je nach Situation nochmals 12 000 Franken. Doch auch das bringt vielen Älteren keinen Job, weil die Altersfeindlichkeit auf dem Arbeitsmarkt gross ist. Und trotzdem hat sich Nationalrat Grüter gegen ein Altersdiskriminierungsgesetz ausgesprochen. Warum wohl: Stimmungsmache bei den Älteren sichert alleweil den National- oder Ständeratssitzung.
Faktenblatt des Bundesrates mit Massnahmen
2019.05.15 NZZ Über 58-Jährige sollen nicht mehr ausgesteuert werden

2019.05.15 20 Minuten Bund zahlt Flüchtlingen 12 000 Franken