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(HJ) Nomen est omen: Am Feiertag, an dem die Katholiken um ihre Toten trauern, präsentierte das Seco seinen Bericht zur «Stellenmeldepflicht». In Anlehnung an die ursächliche Entstehungsgeschichte müsste dieser eigentlich «Bericht zur Umsetzung des Inländervorrang-Light» heissen. Die Massnahmen der sog. Stellemeldepflicht, deren Vollzug es zu beurteilen gilt, beruhen auf der selbstherrlichen Interpretation der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) durch das eidgenössische Parlament. Das Volks-Ja zum Einwanderungsstopp vom Februar 2014 wurde 2017 kurzerhand zum Inländervorrang-Light drapiert, der jetzt, um die Zusammenhänge endgültig zu verschleiern, im Kleid der «Stellenmeldepflicht» daherkommt. Gekonntes politisches Wording in Zeiten, in denen die Halbwertszeit des öffentlichen Gedächtnisses immer geringer wird! 

Leerlauf für 18.6 Millionen Franken

Auf rund 65’000 (55 %) der eingegangenen Stellenmeldungen vermochte das RAV den Arbeitgebern ein Dossier zuzustellen. Kein Vorschlag erfolgte auf rund 53 200 (45 %) der Jobgesuche. Bei lediglich 8.3 Prozent der Meldungen kam es zu einer Anstellung. Vermittelt wurden auf diese Weise rund 4’800 Jobsuchende. Der Vergleich mit der Anzahl der für diesen Zeitraum beim Seco gemeldeten Stellensuchenden von rund 190 000 zeigt, wie gering doch der Integrationserfolg ist, der durch den Inländervorrang-Light erzielt wurde. Der Verdacht liegt zudem nahe, dass diese Personen auch ohne die Zustellung eines Dossiers durch die RAV auf dem Arbeitsmarkt fündig geworden wären, denn die Schweizer Wirtschaft boomte zu diesem Zeitpunkt. Dem geringen Vermittlungserfolg stehen Kosten von 18.6 Millionen Franken gegenüber. Diese sind zwar tiefer als zuvor vom Seco geschätzt (70 Mio.) oder im Rahmen der parlamentarischen Beratung – von Gegnern wie Nationalrat Minder gar bei 400 Millionen Franken vermutet. Im Verhältnis zum Vermittlungserfolg von 4’800 Jobs handelt es sich bei den 18.8 Millionen Franken aber klar um aus dem Fenster geworfenes Geld. 

Alter der Vermittelten totgeschwiegen

Worauf der Bericht wohlweisslich keine Antwort gibt, ist das Alter der 4’600 vermittelten Stellensuchenden sowie deren nationale Zugehörigkeit. So zu tun, als müsste man dazu eine Wirkungsanalyse abwarten, ist mehr als unglaubwürdig. Die Software AVAM würde das Abrufen des Alters der Vermittelten mit einem Handgriff zulassen. Doch würde sich die Vermutung erhärten, dass es vorwiegend Jüngere waren, die von den Unternehmen ausgewählt wurden und oder gar jüngere Zugewanderte, liesse sich der Flop endgültig nicht mehr verbergen. Zuwarten mit der ganzen Wahrheit bis die Volksabstimmung zur Personenfreizügigkeit (PFZ) über die Bühne ist, scheint politisch opportuner zu sein, wie die Vermutung nahelegt. Doch das könnte sich rächen. 

«Unterschätzte Verdrängung der Inländer»

So lautete die Schlagzeile der NZZ vom 29. November 2016. Personenfreizügigkeit hat möglicherweise negativere Folgen für Inländer als angenommen. Eine Erhebung des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich zeigt: Vier Fünftel der seit 2007 eingewanderten Arbeitskräfte sind in Berufen tätig, in denen kein Fachkräftemangel besteht. Das widerspricht dem offiziellen Wording, wonach die Zuwanderung vor allem der Behebung des Fachkräftemangels dient. Vielleicht kein Zufall: Der damalige Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Bruno Sauter, der sich überdies auch oft mit Boris Zürcher, dem Leiter Arbeitsmarkt Seco angelegt haben soll, und der die brisanten Zahlen veröffentlichte, ist aus Gründen, die nie öffentlich gemacht wurden, mittlerweile seines Amtes enthoben worden.  

Wo bleiben die kritischen Medien?

Der Bericht über die «Umsetzung des Inländervorrangs» löste wenig kritisches Echo in den Medien aus. Über das «Warum» lässt sich nur spekulieren. Zu gross ist landauf landab die Angst, die Wut der Betroffenen könnte sich im nächsten Frühjahr an der Urne gegen die PFZ richten. Der «Blick», der die Sorgen der älteren Jobsuchenden in den letzten Monaten zwar löblich vertreten hat, setzte sogar die demagogische Schlagzeile: «Schweizer zu träge, um sich einen Job zu suchen». Dabei stützte er sich auf die Aussage des Berichtes, wonach das Jobportal «Job-Rom» von vielen Stellensuchenden nicht benutzt wurde. Wer die Betroffenen fragt, statt sie denunziert, bekommt zu hören: Das Login sei technisch noch nicht ausgereift und mühsam in der Benutzung. Und viele wissen auch nicht wie das Tool benutzen, weil sie von den RAV nie angeleitet wurden. In den Branchen, die zur Stellenmeldepflicht aufgerufen sind, namentlich der Gastro- und Bauarbeiterbereich, arbeiten denn auch immer noch viele Personen, die sich grundsätzlich schwer tun mit den Grundkompetenzen und der elektronischen Kommunikation. Vielleicht aber haben einige auch die Erfahrung gemacht, dass der Aufwand sich nicht lohnt, weil Arbeitgeber beispielsweise nicht verpflichtet sind, Qualifikationsanforderungen bei der Stellenmeldepflicht anzugeben, was sich beinahe unglaublich anhört (Bericht Seite 38). Ob man für einen Job in Frage kommt oder nicht, hängt im Wesentlichen vom Matching der Kompetenzen ab. Ohne klares Jobprofil jedoch wird jede Bewerbung zur Farce. 

So fördert man Politikverdrossenheit 

Der Erfolg der Grünen vermag nicht darüber hinweg zu täuschen, dass eine Mehrheit des Volkes im Oktober der Wahlurne fernblieb. Unlängst schrieb Eric Guyer, Chefredaktor der NZZ, in einem Kommentar mit dem Titel «Die Vernunft auf dem Rückzug»: Es täten alle gut daran, weniger Tabus zu leben. So seien viele Wähler*innen in Sorge wegen der Einwanderung. Weise, wer so spricht. Ängste um den Arbeitsplatz stehen immer noch zuoberst auf der Rangliste des Sorgenbarometers. Wie wenig ernst man diese nimmt, davon zeugt die Respektlosigkeit, mit der man den Volkswillen der MEI solange uminterpretierte, bis daraus ein zahnloses Gebilde namens «Stellenmeldepflicht» wurde. Die Erwerbslosenzahlen präsentieren sich zwar nach neun Jahren Wirtschaftsblüte aktuell auf einem tieferen Niveau. Doch wir wissen es alle: Sie steigen im nächsten Jahr schon wieder an, aufgrund der verschiedenen Baustellen wahrscheinlich mittelfristig sogar mit der Kraft eines Tsunami. Die Probleme wirklich lösen, so Guyers Imperativ in der NZZ, statt das Volk mit Plattitüden und Scheinlösungen abzuspeisen. Das könnte sich in der Tat lohnen, auch im Hinblick auf die Abstimmung über die PFZ.   

Bericht Monitoring Stellenmeldepflicht vom 1. Nov. 2019

2019.11.01 TA Stellenmeldepflicht: 4800 Jobs vermittelt
2019.11.01 TA Viel Aufwand, wenig Ertrag

 

Beiträge zum Thema Menschen mit und ohne Arbeit

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