12. Nov. 2019 | Aktionen
Avenir50plus Schweiz weilte mit einem Messestand am 8./.9.10. November an der Messe «Zukunft Alter» in Luzern, um mit der aktuellen Nummer des Beobachters auf die Nöte von älteren Erwerbslosen aufmerksam zu machen. Wie die LZ berichtete, warb die Sozialpolitikerin Monika Stocker an drei Podien für ein Gesetz gegen Altersdiskriminierung. Die meisten Besuchenden zeigten sich froh darüber, dass sie das Arbeitsleben bereits hinter sich haben, denn was da abgehe sei ungesund.
5. Nov. 2019 | Aktionen
(HJ) Nomen est omen: Am Feiertag, an dem die Katholiken um ihre Toten trauern, präsentierte das Seco seinen Bericht zur «Stellenmeldepflicht». In Anlehnung an die ursächliche Entstehungsgeschichte müsste dieser eigentlich «Bericht zur Umsetzung des Inländervorrang-Light» heissen. Die Massnahmen der sog. Stellemeldepflicht, deren Vollzug es zu beurteilen gilt, beruhen auf der selbstherrlichen Interpretation der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) durch das eidgenössische Parlament. Das Volks-Ja zum Einwanderungsstopp vom Februar 2014 wurde 2017 kurzerhand zum Inländervorrang-Light drapiert, der jetzt, um die Zusammenhänge endgültig zu verschleiern, im Kleid der «Stellenmeldepflicht» daherkommt. Gekonntes politisches Wording in Zeiten, in denen die Halbwertszeit des öffentlichen Gedächtnisses immer geringer wird!
Leerlauf für 18.6 Millionen Franken
Auf rund 65’000 (55 %) der eingegangenen Stellenmeldungen vermochte das RAV den Arbeitgebern ein Dossier zuzustellen. Kein Vorschlag erfolgte auf rund 53 200 (45 %) der Jobgesuche. Bei lediglich 8.3 Prozent der Meldungen kam es zu einer Anstellung. Vermittelt wurden auf diese Weise rund 4’800 Jobsuchende. Der Vergleich mit der Anzahl der für diesen Zeitraum beim Seco gemeldeten Stellensuchenden von rund 190 000 zeigt, wie gering doch der Integrationserfolg ist, der durch den Inländervorrang-Light erzielt wurde. Der Verdacht liegt zudem nahe, dass diese Personen auch ohne die Zustellung eines Dossiers durch die RAV auf dem Arbeitsmarkt fündig geworden wären, denn die Schweizer Wirtschaft boomte zu diesem Zeitpunkt. Dem geringen Vermittlungserfolg stehen Kosten von 18.6 Millionen Franken gegenüber. Diese sind zwar tiefer als zuvor vom Seco geschätzt (70 Mio.) oder im Rahmen der parlamentarischen Beratung – von Gegnern wie Nationalrat Minder gar bei 400 Millionen Franken vermutet. Im Verhältnis zum Vermittlungserfolg von 4’800 Jobs handelt es sich bei den 18.8 Millionen Franken aber klar um aus dem Fenster geworfenes Geld.
Alter der Vermittelten totgeschwiegen
Worauf der Bericht wohlweisslich keine Antwort gibt, ist das Alter der 4’600 vermittelten Stellensuchenden sowie deren nationale Zugehörigkeit. So zu tun, als müsste man dazu eine Wirkungsanalyse abwarten, ist mehr als unglaubwürdig. Die Software AVAM würde das Abrufen des Alters der Vermittelten mit einem Handgriff zulassen. Doch würde sich die Vermutung erhärten, dass es vorwiegend Jüngere waren, die von den Unternehmen ausgewählt wurden und oder gar jüngere Zugewanderte, liesse sich der Flop endgültig nicht mehr verbergen. Zuwarten mit der ganzen Wahrheit bis die Volksabstimmung zur Personenfreizügigkeit (PFZ) über die Bühne ist, scheint politisch opportuner zu sein, wie die Vermutung nahelegt. Doch das könnte sich rächen.
«Unterschätzte Verdrängung der Inländer»
So lautete die Schlagzeile der NZZ vom 29. November 2016. Personenfreizügigkeit hat möglicherweise negativere Folgen für Inländer als angenommen. Eine Erhebung des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich zeigt: Vier Fünftel der seit 2007 eingewanderten Arbeitskräfte sind in Berufen tätig, in denen kein Fachkräftemangel besteht. Das widerspricht dem offiziellen Wording, wonach die Zuwanderung vor allem der Behebung des Fachkräftemangels dient. Vielleicht kein Zufall: Der damalige Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Bruno Sauter, der sich überdies auch oft mit Boris Zürcher, dem Leiter Arbeitsmarkt Seco angelegt haben soll, und der die brisanten Zahlen veröffentlichte, ist aus Gründen, die nie öffentlich gemacht wurden, mittlerweile seines Amtes enthoben worden.
Wo bleiben die kritischen Medien?
Der Bericht über die «Umsetzung des Inländervorrangs» löste wenig kritisches Echo in den Medien aus. Über das «Warum» lässt sich nur spekulieren. Zu gross ist landauf landab die Angst, die Wut der Betroffenen könnte sich im nächsten Frühjahr an der Urne gegen die PFZ richten. Der «Blick», der die Sorgen der älteren Jobsuchenden in den letzten Monaten zwar löblich vertreten hat, setzte sogar die demagogische Schlagzeile: «Schweizer zu träge, um sich einen Job zu suchen». Dabei stützte er sich auf die Aussage des Berichtes, wonach das Jobportal «Job-Rom» von vielen Stellensuchenden nicht benutzt wurde. Wer die Betroffenen fragt, statt sie denunziert, bekommt zu hören: Das Login sei technisch noch nicht ausgereift und mühsam in der Benutzung. Und viele wissen auch nicht wie das Tool benutzen, weil sie von den RAV nie angeleitet wurden. In den Branchen, die zur Stellenmeldepflicht aufgerufen sind, namentlich der Gastro- und Bauarbeiterbereich, arbeiten denn auch immer noch viele Personen, die sich grundsätzlich schwer tun mit den Grundkompetenzen und der elektronischen Kommunikation. Vielleicht aber haben einige auch die Erfahrung gemacht, dass der Aufwand sich nicht lohnt, weil Arbeitgeber beispielsweise nicht verpflichtet sind, Qualifikationsanforderungen bei der Stellenmeldepflicht anzugeben, was sich beinahe unglaublich anhört (Bericht Seite 38). Ob man für einen Job in Frage kommt oder nicht, hängt im Wesentlichen vom Matching der Kompetenzen ab. Ohne klares Jobprofil jedoch wird jede Bewerbung zur Farce.
So fördert man Politikverdrossenheit
Der Erfolg der Grünen vermag nicht darüber hinweg zu täuschen, dass eine Mehrheit des Volkes im Oktober der Wahlurne fernblieb. Unlängst schrieb Eric Guyer, Chefredaktor der NZZ, in einem Kommentar mit dem Titel «Die Vernunft auf dem Rückzug»: Es täten alle gut daran, weniger Tabus zu leben. So seien viele Wähler*innen in Sorge wegen der Einwanderung. Weise, wer so spricht. Ängste um den Arbeitsplatz stehen immer noch zuoberst auf der Rangliste des Sorgenbarometers. Wie wenig ernst man diese nimmt, davon zeugt die Respektlosigkeit, mit der man den Volkswillen der MEI solange uminterpretierte, bis daraus ein zahnloses Gebilde namens «Stellenmeldepflicht» wurde. Die Erwerbslosenzahlen präsentieren sich zwar nach neun Jahren Wirtschaftsblüte aktuell auf einem tieferen Niveau. Doch wir wissen es alle: Sie steigen im nächsten Jahr schon wieder an, aufgrund der verschiedenen Baustellen wahrscheinlich mittelfristig sogar mit der Kraft eines Tsunami. Die Probleme wirklich lösen, so Guyers Imperativ in der NZZ, statt das Volk mit Plattitüden und Scheinlösungen abzuspeisen. Das könnte sich in der Tat lohnen, auch im Hinblick auf die Abstimmung über die PFZ.
Bericht Monitoring Stellenmeldepflicht vom 1. Nov. 2019
2019.11.01 TA Stellenmeldepflicht: 4800 Jobs vermittelt
2019.11.01 TA Viel Aufwand, wenig Ertrag
30. Okt. 2019 | Aktionen
Vorurteile gegenüber dem Alter sind sozial am meisten akzeptiert. Wer derart Klartext redet, das ist Patrizia Laeri, Wirtschaftsredaktorin und Moderatorin bei SRF in einer Kolumne beim Blick. Bravo, endlich ein Promi, der zu ≠Aufbruch aufruft. Mehr lesen…
22. Okt. 2019 | Aktionen
(HJ) Hilfe, Sozialhilferisiko bereits ab 46 Jahren. Dieser Trend zeigt sich im Bericht des Kennzahlenvergleichs in der Sozialhilfe, herausgegeben am 22. Oktober von der Städte-Initiative. Das Risiko, bereits vor 50 in die Altersarbeitslosigkeit abzusinken, wurde von den Studienautoren vor allem mit der ungenügenden Bildung der Betroffenen begründet. Sie verlangen folgerichtig mehr Finanzmittel für die Förderung der Grundkompetenzen. Dagegen ist wenig einzuwenden, vor allem dann nicht, wenn es sich um die Bildung von Migranten mit echten Fluchtgründen handelt, wie das im SRF-Beitrag von 10vor10 gezeigt wird. Neue Wege in der Weiterbildung von Niederqualifizierten geht neu auch die Stadt Zürich, wie es einem Beitrag von SRF Rendezvous vom 28. Oktober zu entnehmen gilt.
Doch blind wäre, wer nicht zur Kenntnis nimmt, dass die Wirtschaft viele Niederqualifizierte ins Land holte, die nach kurzer Zeit beim Sozialamt landeten. Die Anzahl Hilfsarbeiterjobs ist seit 2010 im Vergleich mit 2018 nicht zurückgegangen, wie die Studienautoreb dies als Grund für die erhöhte Erwerbslosigkeit älterer Unqualifizierter weiss machen wollten. Sie hat sogar leicht zugenommen von 191 000 auf 194 000, wovon aber in erster Linie die ausländische Wohnbevölkerung profitierte.
Mehrheit der älteren Ausgesteuerten im Kanton Zürich war in Fachfunktion
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Mit diesem Fokus verschleiert man die zunehmende Diskriminierung Älterer auf dem Arbeitsmarkt, die sich bereits ab 45 Jahren einstellt und die sogar mehrheitlich Personen mit Fachausbildungen trifft, wie das die Statistik des Seco 2018 «Arbeitslose nach Funktion» 2018 des Kantons Zürich zeigt: Zwei Drittel der Arbeitslosen arbeiteten in Fachfunktionen, zusätzlich übten rund 10 Prozent eine Kaderfunktion aus. Lediglich 20 Prozent der Erwerbslosen waren zuvor in einer Hilfsfunktion tätig. Dass Letztere schneller bei der Sozialhilfe landen als Top-Qualifizierte, versteht sich. Tieflöhne bieten keine Möglichkeit für das Ansparen eines Altersvermögen.

Nur so zu tun, als ob ein besserer Bildungsrucksack diese Menschen vor Arbeitslosigkeit geschützt hätte, kann im Einzelfall zutreffen, nicht aber bei der Mehrheit. Statt von Sozialhilfe, müssten auch sie, wie die meisten gut qualifizierten Ausgesteuerten aktuell, vorerst vom eigenen Ersparten leben. Und es sind immer mehr, die den Preis der Altersdiskriminierung aus dem eigenen Sack berappen müssen und später in der Altersarmut enden, mit entsprechenden Kosten für die Allgemeinheit.
Bildung unbedingt, aber welche
Bis 2050 sollen in der Schweiz rund 1,2 Millionen Jobs wegfallen, prophezeit McKinsey, viele davon auch im mittleren Anspruchssegment (u.a. Juristen, Diagnostiker). Dagegen sollen 400 000 Arbeitsplätze durch die Digitalisierung neu geschaffen werden, weitere 400 000 Stellen durch die Ankurblung des Konsums entstehen. Das Letzteres die Umwelt belastet und Ersteres Jobprofile sein werden, die noch niemand wirklich kennt, ist das eine, doch was passiert mit den 400 000 Menschen, die Jobs innehatten, die in dieser Rechnung nicht mehr vorgesehen sind? Wie soll sich jetzt Frau Meier und Herr Müller heute wovor schützen? Wo bleibt die Führungsverantwortung der Politik?
Den Ü40igern werden im Hinblick auf die Disruption des Arbeitsmarktes ab 2021 gratis Angebote zur persönlichen Standortbestimmung zur Verfügung stehen. Gewiss: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber damit stehen denjenigen, die nach einer Standortbestimmung einen Branchen- oder Jobwechsel ins Auge fassen müssten, noch keine geeigneten Bildungsgefässe oder Quereinsteiger-Modelle zur Verfügung. Einer, der die Zeichen der Zeit erkennt, ist der Swissmem-Verband mit seinem Pilotprojekt «Passarelle». Arbeitnehmende, die Jobs innehaben, die demnächst der Strukturveränderung zum Opfer fallen, sollen die Möglichkeit erhalten, eine verkürzte Zweitlehre anzutreten, um sich damit vor Arbeitslosigkeit im Alter zu schützen. Doch wer nach dem Entwicklungsstand dieses Projekts fragt, erhält die Antwort, dass der Bund sich nicht an der Finanzierung beteiligen will und auch sonst noch vieles offen ist.
Zu hoffen bleibt, das neue Parlament schwebe weniger auf Wolke sieben und gehe die Themen des Arbeitsmarktes endlich profunder an. Mit unserer Forderung nach einem Gesetz zum Schutz vor Altersdiskriminierung bleiben wir weiterhin am Ball.
Medienspiegel
NZZ
SRF 10vor10 Sozialhilferisiko Ü46 steigt
Bericht Sozialhilfestatistik der Städteinitiative
SRF Tagesgespräch Sozialhilfe-Risiken in Zeiten der Digitalisierung
Blick
17. Okt. 2019 | Aktionen
22. Sep. 2019 | Aktionen
Der Chef-Ökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) in der Samstags-Rundschau SRF: Die Schweiz hat eine sehr hohe versteckte Arbeitslosigkeit. Rund 10 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ist entweder total arbeitslos oder arbeitet Teilzeit und möchte mehr arbeiten. Der Arbeitsmarkt ist einem besorgniserregenden Zustand, viele die Arbeit haben, fürchten sich vor der Zukunft und der Altersversorgung. Auch fehlt es nicht an Eigenkritik insofern, dass der SGB sich wieder zu einer härteren Gangart bekennt. Das ist erfreulich…..Hören Sie mehr…
4. Sep. 2019 | Aktionen
Ich bin Teil von jener Kraft, die stets das «Böse» will und stets das «Gute» schafft, heisst es bei Faust. So schafft die SVP mit ihrem Gepolter um die Aufkündung der Personenfreizügigkeit das politische Klima für eine Vorruhestandsregelung in der Schweiz, also etwas, das gar nicht in deren Interesse ist. Zumindest vorläufig, bis die Abstimmung über die Bühne ist, tun gewisse Kreise so, als ob ihnen eine solche Lösung am Herzen liegt. Sozusagen eine kleine Beruhigungsspritze für alle, die sich vor Altersarmut fürchten. Und es werden immer mehr. Aber damit lassen wir uns nicht abspeisen.
Lesen Sie unsere Stellungnahme zur Vernehmlassung der Vorbotschaft an den Bundesrat.
2019.11 TA So läuft der Politpoker um die Notrente
4. Sep. 2019 | Aktionen
(HJ) Gemäss NZZ vom 29. August hat die verbale Gewalt zugenommen, die reale Gewalt jedoch sei zurückgegangen. Das mit Hinweis auf die Verbrecherstatistik. Aber hat die reale Gewalt wirklich abgenommen oder zeigt sie sich allenfalls in anderen Formen?
Die von der Autorin interviewten Fachleute nennen Dichtestress und soziale Instabilitätals mögliche Ursachen und belassen es bei der Feststellung, dass Aggression auch eine gesunde Seite habe. So weit so gut. Aber wäre es nicht primäre Aufgabe der Medien, die Ebene der Oberfläche zu verlassen und die Erscheinungsformen zu entmystifizieren, um die Energie hinter den unflätigen Worten rechtzeitig in sinnvolle Handlungsalternativen überzuführen?
Soziale Instabilität ergibt sich nicht von selbst, genau so wenig wie Dichtestress. Das sind lediglich Folgen verfehlter politischer Konzepte, die den Handlungsspielraum der Einzelnen immer mehr einschränken und damit Gefühle der Ohnmacht und Angst hervorrufen, die sich dann in Form einer emotionalen Sprache Luft verschaffen. Diese «unsichtbare Macht», die hinter diesen Entwicklungen steckt und den Alltag der Bevölkerung prägt, nennt sich in der Fachsprache «strukturelle Gewalt». Eine Form von Gewalt, die unsichtbar über uns niederprasselt. Gewalt, die unsere Lebensqualität auf eine Art und Weise prägt, die dem Wohlbefinden zuwiderläuft und die wir – weil unsichtbar– nicht zu fassen und benennen vermögen. Und die ist im Vormarsch. Alle wichtigen, unser Leben betreffenden Entscheidungen werden zunehmend auf Ebenen gefällt, die sich den demokratischen Institutionen entziehen. Angefangen von der Geldpolitik, der fortschreitenden Digitalisierung, die sich mittels Algorithmen immer mehr in die Seele des Einzelnen frisst, bis hin zur Gestaltung der Arbeit, wo sich die Mitarbeitenden zunehmend alternativlos der Konkurrenz durch die künstliche Intelligenz oder den Billigarbeitskräften aus dem Ausland gegenüber sehen.
Die Emotionen, die bei einer derart fremdbestimmten Lebensweise entstehen, schaffen sich vorläufig Luft über die Wutbürgersprache, die das Establishment bereit scheint, entgegenzunehmen, weil sie politisch nicht handlungswirksam ist. Gelingt es den politischen Eliten jedoch nicht, die sich dahinter verbergenden Themen demnächst ursächlich anzugehen und die Menschen wieder vermehrt in die lebenswichtigen Entscheidungen einzubinden, besteht real Gefahr, dass sich eine emotionale Stimmung heranbahnt, die wir meinten, bereits hinter uns gelassen zu haben.
3. Sep. 2019 | Aktionen
«Die Schweiz ist top aufgestellt bei der Digitalisierung und damit sie es auch bleibt, erhöhen wir demnächst die «Drittstaatenkontigente». Wer so daherredet ist kein anderer als SVP Bundesrat Ueli Maurer, der als Bundespräsident am 2. September die zweite Digitale Konferenz Schweiz in Basel eröffnete. Und weiter: «Wir schaffen mit der künstlichen Intelligenz (KI) mehr und interessantere Jobs. Wir müssen den Leuten nur die Angst nehmen. Wir müssen auch vermehrt Risiken eingehen, vorwärts gehen, nicht alle Hindernisse im Vorneherein bedenken.» Wozu, warum und unter welchen Bedingungen «top» sein, mit diesen und weiteren Fragen liess der Redner die Zuhörenden allein.
Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Entsprechend verlief die Konferenz. Nett, ohne Kontrahenten, die wichtigsten Themen blieben unter dem Tisch. Jugendlichen des Jugendparlamentes gewährte man einige kritische Worte. Social Medias würden die Isolation fördern, so die Meinung von über 50 Prozent der Befragten, deshalb stellt sich ihnen die Frage, wie sich die Technik nutzen lasse, um das Wohlbefinden zu fördern.
Über Auswirkungen der KI auf den Arbeitsmarkt und auf das Alter wurden keine Worte verloren, auch nicht über die Mühen mit dem Datenschutzgesetz und den gravierenden Sicherheitslücken in der Schweiz. Am Rande höchstens gab es Stimmen, die davor warnten, dass KI über die Algorithmen die Stereotypen und somit die Diskriminierung fördere.
Der breite Widerstand, der sich gegen die 5-G-Techik – Basis der Entwicklung der KI – im Lande formiert, u.a. über die Moratorien der Kantone Genf und Jura oder der Unwille breiter Bevölkerungsteile gegen die Umrüstung der SBB auf den Mobilfunkstandard, siehe Tagesanzeiger vom 2. Sept. , waren keine Themen. Warum auch, wenn der oberste Bundesrat doch ausdrücklich dazu aufruft, ja nicht alle Hindernisse schon im Vorneherein einzubeziehen.
Interessantes zeigte sich im direkten Austausch mit Fachleuten am Apéro: So würden dem Departement die Fachleute fehlen, um die zahlreichen Feedbacks auf das Datenschutzgesetz, das im Herbst endlich in den Nationalrat kommt, zu verarbeiten. Ein Beispiel für Sicherheitslücken zeige sich in der Nutzung von Unternehmen der Stimmenprofile. Wie die Post die Stimmerkennungssoftware einsetzt, wurde erstmals in einem Beitrag von 10vor10 vom 5. Mai bekannt. Da die Stimme auch viel verrät über den Charakter von Personen, werde dieses Analysetool auch bei Bewerbungsverfahren eingesetzt nach dem Motto: Zeig mir ein Video und ich sage dir wer du bist. Das erinnert doch an Mediamarkt, der vor kurzem in die Schlagzeilen geriet, weil sich alle Mitarbeitenden mit einem Video neu bewerben müssen. Offenbar lassen sich bereits chronische Krankheiten aus Stimmprofilen ablesen. Im «Ausland» sei das alles bereits verboten, doch hierzulande fehle der politische Wille und das Fachknowhow in der Verwaltung, so das Fazit.
Im November 2019 erscheint voraussichtlich der Bericht des Bundesrates zur KI. Wenn das alles unter «top» verstanden wird, lieber Bundespräsident, so ist es höchste Zeit für die Abwahl dieser Elite im Oktober.
Weitere Berichte
2019.09.03 Netzwoche
2019.09.03 NZZ Digitalisierung verändert die Solidarität
23. Aug. 2019 | Aktionen
Der Datenschutz von Sozialhilfebeziehenden ist in Gefahr. Christoph Eiymann, Präsident der Sozialhilfe-Konferenz im Interview mit dem Tagesanzeiger vom 23. August 2019. Wehret den Anfängen und schreibt Eure Meinungen an die Mitglieder der Staatspolitischen Kommission, die das Datenschutzgesetz vorberaten haben.
2019.08.26 Sonntagsblick
Kommentar Avenir50plus Schweiz
Druck auf Schwache: Billige Ablenkungsmanöver von einer politisch schwachen Elite
Beinahe kein Tag vergeht, an dem in unserem Lande nicht irgendwo eine Hetze gegen Sozialhilfebeziehende losgetreten wird. Sei es mit Forderungen nach Kürzungen des Grundbedarfs in den Kantonen oder nun aktuell über den Entscheid der vorberatenden Kommission des Nationalrates in der Frage des Datenschutzes. Es macht überhaupt keinen Sinn, diese Daten freizugeben, es sei denn, damit indirekt den Druck auf diese Zielgruppe zu erhöhen. Dazu zählen viele von Arbeitslosigkeit Betroffene ältere Sozialhilfebeziehende oder solche die bald dahin unfreiwillig abrutschen.
Dahinter steckt politisches Kalkül einer neoliberalen Politik. Jeder zusätzliche Druck auf Betroffene vergrössert deren Stress, verengt den Blick und erschwert die Handlungsfähigkeit. Dadurch fehlt den Betroffenen die Kraft, sich politisch für ihre Interessen einzusetzen, es reduziert aber auch die Ressourcen im Umgang mit dem erschwerten Arbeitsmarkt, insbesondere auch bei der Zielgruppe der Älteren.
Vor allem aber dienen Strategien des Herumtrampelns auf Schwachen dazu, von den eigenen Schwächen abzulenken. So fehlt es an allen Fronten an politischen Lösungen. Heben wir unseren Blick und zwingen diese politische Elite zu Antworten auf echte Probleme, die auf uns zurollen, wie Wirtschaft-, Finanz- und Umweltkrise.