Dank dem Volksentscheid schaffte es der Grundsatz der Weiterbildung 2006 in die Verfassung. Das ist die Grundlage für das Anfang 2017 in Kraft tretende Weiterbildungsgesetz. Um das Fazit vorweg zunehmen: Das Gesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Ein Monitoring und weitere Statistiken, ansonsten ist alles «Kann».
Dank dem Volksentscheid schaffte es der Grundsatz der Weiterbildung 2006 in die Verfassung. Das ist die Grundlage für das Anfang 2017 in Kraft tretende Weiterbildungsgesetz. Um das Fazit vorweg zunehmen: Das Gesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Ein Monitoring und weitere Statistiken, ansonsten ist alles «Kann».
Es kann wer will sich weiterbilden, selbstverständlich in Eigenverantwortung wie gehabt. Doch wer weiss denn heute schon, welche Weiterbildungen einem das Morgen im Unternehmen sichern. Dazu müsste man die mittelfristigen Strategien der Unternehmen sowie die Folgen der Digitalisierung für die jeweiligen Branchen kennen. Strategen von Telecom-‐Unternehmen zweifeln heute sogar schon am Nutzen von ETH-‐Ausbildungen. Das Wissen sei nach Abschluss der Ausbildung bereits veraltet. Gesucht seien im ICT-‐Bereich Profile, für die es gar keine offiziellen Lehrgänge gäbe.
Es kann wer will als Arbeitgeber Fürsorgepflicht übernehmen für seine Arbeitnehmenden. Aber wer tut das schon heute, wo die offenen Landesgrenzen es ermöglichen, armen Ländern ihre teuer ausgebildeten Arbeitskräfte für ein Butterbrot abzuwerben.
Es kann wer will, sich auch an Fachhochschulen weiterbilden. Eine Studie belegt überdies, dass es vorwiegend jugendliche Männer auf dem Karrieresprung sind, die sich damit ihr Familienglück auf der grünen Wiese sichern. Schwierig wird es, wenn die Ehefrauen nach der Kinderphase oder Arbeitnehmende im Hinblick auf ein längeres Arbeitsleben diesen Sprung in der Lebensmitte nachholen möchten. Der Türe zum Stipendientopf bleibt mit 45 Jahren weiterhin zu.
So kennt der Zugang zu Weiterbildungen im Hinblick auf tertiäre Abschlüsse noch weitere Hürden. Neu werden nicht mehr Institutionen subventioniert, sondern Teilnehmende. Der Ständerat wollte den potentiellen Teilnehmenden den Zugang erleichtern, in dem er die Zuschüsse an die Ausbildungskosten jährlich ausrichten wollte. Eine bildungsfeindliche Mehrheit, angestossen vom Arbeitgeberverband, wusste dies in letzter Sekunde zu verhindern. Die Beiträge werden neu erst nach der staatlichen Prüfung ausbezahlt. Einzig in absoluten Härtefällen kann der Bund Teilbeiträge im Voraus gewähren.
Ein interessantes Beispiel über die Effekte der Weiterbildung liefert Finnland. Obwohl das Land im europäischen Vergleich mit den meisten technologischen und organisatorischen Veränderungen konfrontiert war, weist es heute das geringste Mass an Veraltung von Qualifikationen am Arbeitsplatz aus. Finnland legte den Schwerpunkt auf eine hohe arbeitsbezogene Weiterbildung. Vor diesem Hintergrund ist es äusserst bedauerlich, dass das neue Gesetzt die Arbeitgeber nicht in die Verantwortung nimmt.
Einzig für die Förderung von Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen fliesst über das Weiterbildungsgesetz ein wenig Geld. Illettrismusfachleute schätzen, dass in der Schweiz heute rund 20 Prozent Schwächen bezüglich Grundkompetenzen aufweisen. Den Kantonen bleibt es aber überlassen, ob sie in dieser Sache aktiv werden wollen, oder nicht. Erste Recherchen zeigen, dass sich die Fachleute schwer tun mit der Umsetzung. Private Bildungsanbieter reissen sich ebenfalls nicht um die Durchführung solcher Kurse. Die Mobilisierung von Betroffenen erweist sich als schwierig. Die Kursbesuche müssen heimlich erfolgen, denn bekommen Arbeitgeber Wind von den Schwächen ihrer Mitarbeitenden, müssen sie damit rechnen, als erste entlassen zu werden oder mit Lohnkürzungen bestraft zu werden. Trotz leicht erhöhter Beiträge durch den Bund befürchten Fachleute, dass das Geld nicht ausreichen wird, um die vorhandenen Angebote, die heute teilweise über Spezialgesetze geregelt sind, aufrecht erhalten zu können.
Doch die grösste Sorge gilt der Antwort: Was passiert mit diesem Bevölkerungs-‐Fünftel, wenn Arbeitsplätze für Niederqualifizierte in Zukunft munter weiter ausgelagert werden? Ob dem Geschrei über den Mangel an Fachkräften, mangelt es in Bern an politischen Konzepten im Hinblick auf solche Entwicklungsszenarien.
Wie Bildungspolitiker angesichts dieser Misere Euphorie in Bezug auf die Inkrafttretung dieses Gesetzes verbreiten können, wie das Bruno Weber von Travail Suisse im Tagesanzeiger vom 13. Dezember tut, erinnert an des Kaisers neue Kleider von Gottfried Keller. Vielleicht ist es auch Teil einer Bewältigungsstrategie, die seinen zahlreichen Gängen in der Berner Wandelhalle doch noch einen Sinn verleiht.
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