Ein Kommentar zur Realität hinter Überbrückungsleistungen von Heidi Joos
Eine Kündigung mit 58. Viele Menschen geraten unverschuldet in Not – und hoffen auf eine staatliche Überbrückungsleistung. Doch wer meint, diese Hilfe sei einfach und menschlich geregelt, wird schnell eines Besseren belehrt.
Ein Fall, der zu denken gibt
Ein Mann verliert seine Stelle wegen gesundheitlicher Einschränkungen. Die IV erkennt nur eine leichte Beeinträchtigung – zu wenig für eine Rente. Er gründet mit seinem Pensionskassenkapital ein kleines Unternehmen, meldet sich bei der Ausgleichskasse als Selbständiger und versucht sich in der Sportvermittlung. Das Projekt scheitert – viel Aufwand und Herzblut, keine Einnahmen. Er meldet sich rückwirkend bei der Arbeitslosenkasse, erhält Taggelder, wird im 61. Altersjahr ausgesteuert. Danach hofft er auf Überbrückungsleistungen. Immerhin diente er dem Staat mehr als 40 Jahre als Chauffeur.
Obwohl das Überbrückungsleistungsgesetz im Gegensatz zum Ergänzungsleistungsgesetz bewusst keine rückwirkende Kontrolle des Vermögensverbrauchs vorsieht, prüft die Ausgleichskasse, wie viel Geld er in den Jahren zuvor verbraucht hat. Die Begründung: Es könnte ein «Vermögensverzicht» vorliegen – also freiwillige Verarmung. Die Kontrolle des Vermögensverbrauchs schleicht sich damit sozusagen durch die Hintertür wieder ein.
Der Leistungserbringer zieht für diese Berechnung die Vermögensverbrauchsgrenzen aus der EL-Praxis heran. Der Vermögensverbrauch für den Lebensunterhalt darf 10 Jahre vor Anmeldung für Ehepaare nicht höher als jährlich rund 110’000 Franken betragen! Im Fall des Vermögensverzichts bei der Überbrückungsleistung darf ein Antragsteller zwar mehr ausgeben aber alle Ausgaben die darüber liegen müssen plausibel belegt werden. In seinem Fall fehlen Spesenquittungen aus der Selbständigkeit. Das genügte dem Gericht, um ihm die 27’000 Franken Mehrausgaben als Vermögensverzicht anzurechnen!
Entsprechend erhält er gekürzte Überbrückungsleistungen, die einiges tiefer sind als jene, die im Vorfeld als Verbrauch zugelassen werden. Vier Jahre dauerte der Rechtsweg in seinem Fall insgesamt bis zum Urteil des Kantonsgerichts. Dies zwang ihn zwischenzeitlich zur vorzeitigen Rückkehr in sein Heimatland, weil der Lebensunterhalt dort günstiger ist. Hier in der Schweiz hätte er nicht überleben können.
Wie viel Zeit es noch in Anspruch nimmt, bis die Ausgleichskasse endlich die Zahlungen rückwirkend auslöst, steht in den Sternen.
Ein Gesetz, das seinen eigenen Zweck unterläuft
Damit wird der eigentliche Zweck der Überbrückungsleistung – nämlich zu verhindern, dass Ausgesteuerte über 60 in Armut geraten oder ihr Altersvermögen auerauchen müssen – ins Absurde geführt.
Was jetzt zu tun ist
Was fehlt, ist das gesetzgeberische Augenmass – und das Vertrauen darauf, dass Menschen nicht freiwillig arm werden. Gefordert ist der Gesetzgeber, das Parlament: Die Prüfung des sogenannten Vermögensverzichts muss für diese kurze Überbrückungsphase ersatzlos gestrichen werden. Nur so kann der ursprüngliche Sinn der Überbrückungsleistung wiederhergestellt werden: Schutz vor Altersarmut – nicht Schikane auf dem Weg dorthin.