Hotline Gratisberatung MO - DO zu Geschäftszeiten: 041 218 20 33

MEDIENSPIEGEL

Manifest 50plus: wohin, wozu…

Manifest 50plus: wohin, wozu…

Die Angst davor, zu viele ältere Erwerbslose könnten bei den nächsten Wahlen in die Arme der SVP fallen, bewog das Nationalrats-Trio Pardini, Wermuth und Ritz zur Einladung der älteren Erwerbslosen ins Bundeshaus. Ein Manifest 50plus soll richten, was die linken ParlamentarierInnen bei der leidigen Inländervorrang-Debatte mit ihrem Lavieren an Stimmen bei den Älteren einbüssten. War im Juni 2017 anlässlich des ersten Treffens der Blick als Exklusivmedium noch dabei, so wurde er beim zweiten Treffen vom 30. November 2017 vor die Türe verbannt. Zu gross war die Angst der Einladenden vor einem für sie ungünstigen Debakel, das von Betroffenen hätte losgetreten werden können. Die Abwesenheit der Medien erklärte dann auch, warum beim zweiten Treffen seitens der Nationalräte nur gerade noch der harte Kern Pardini und Wermuth zugegen waren. Selbst Ritz verabschiedete sich nach ihrer Ansprache, die so manchem der 50 Anwesenden das Gefühl hinterliess, man sei im Geiste behindert statt einfach nur qualifiziert und ohne bezahlte Arbeit. Warum man Nationalrätin Bea Heim, eine der ersten, die im Parlament Vorstösse zum Thema 50plus lancierte, erst am Vorabend des Treffens über den Anlass informierte, zeigt, wie wenig Sorgfalt und Interesse an einer breiten Abstützung bestand.

Auch die Einladung an den Verband Avenir50plus erfolgte kurzfristig. Beigefügt war ein Entwurf eines Manifestes 50plus. Sprache und Inhalte verraten, dass der Entwurf in wenigen Minuten von einem der Materie Unkundigen zu Blatt gebracht wurde. Wie sonst könnte es da heissen, dass sich Menschen ab 50 trotz generell sinkender Arbeitslosigkeit einem steigenden Risiko ausgesetzt sehen, ihre Stelle zu verlieren, und das in einem Manifest, das für die nächsten Jahre Gültigkeit haben soll. Die Erwerbslosigkeit ist zwar seit Februar 2017 leicht rückläufig, aber aktuell sind immer noch rund 20 000 Personen über 45 mehr arbeitslos als 2012. Das ohne Berücksichtigung der Ausgesteuerten und der Sozialhilfe-Statistik, die im Alter steigende Zahlen ausweist, ganz zu schweigen vom angekündigten Abbau von Jobs durch Banken & Co.

Man verzichtete ganz bewusst bei der Vorbereitung auf den Einbezug der Erwerbslosenverbände bei der Erstellung des Manifestes. Wie Pardini im Nachhinein bei Kaffee und Kuchen preisgab, wollte man damit verhindern, dass die Forderungen in eine «falsche» Richtung gehen. Trotz dieses Misstrauens besserte das Trio ihren Entwurf kurzfristig vor der Zusammenkunft nach, indem einige Forderungen des Entwurfes von Avenir50plus und Workfair 50+ – wohlverstanden ohne Quellenangaben – übernommen wurden. Obwohl Konsens der Erwerbslosen darüber herrschte, dass keine Aussagen zur Personenfreizügigkeit ins Manifest gehören, konnte der Vorsitzende Pardini es nicht unterlassen, sein Credo kundzutun. Er zeigt sich der festen Überzeugung, dass die Schweiz ihren Reichtum den Einwandernden verdanke. Bezogen auf das Vermögen der UNIA, ein mit Geld wahrlich gesegneter Verband, mag das zutreffen. Die Migration stärkte deren Einfluss und vermehrte Abgaben durch die Arbeitgeber. Aber verpflichtet das gleichzeitig zu einer Blindheit gegenüber den Schattenseiten der Personenfreizügigkeit, von denen vor allem Ältere betroffen sind? Die Zahlen belegen eindeutig, dass die PFZ zum Einfallstor von Niederqualifizierten geworden ist. Doch wer das ausspricht, gerät unter Generalverdacht ein rechter Nationalist zu sein.

Wurde der Verband Avenir50plus beim ersten Treffen noch als Verband der Erwerbslosen begrüsst, änderten Pardini & Co das Drehbuch für den zweiten Anlass. Wir wurden als Verband kurzerhand ignoriert. Alle Anwesenden, auch sie selbst, seien ab jetzt nur noch natürliche Personen ohne Mandat, lautete Pardinis paternalistischer Entscheid. Warum wohl wurden die Anwesenden dann trotzdem aufgefordert, auf der Präsenzliste die zugehörige Organisation anzuführen! Vor diesem Hintergrund stellt sich den Betroffenen berechtigt die Frage, welchen Nutzen denn ein gemeinsames Manifest 50plus hat, das lediglich von lauter Solotanzenden getragen wird.

Die Forderung nach einer altersneutralen Pensionskassenlösung, eine der Hauptforderungen aller älteren Erwerbslosen, wurde vom Vorsitzenden Pardini, der, wie die Gewerkschaften, eine solche Lösung ablehnen, mit Absicht auf das Folgetreffen im März 2018 vertagt. Ein Beamter des Bundesamtes für Sozialversicherungen soll es dannzumal richten und den Anwesenden die Augen öffnen über die Schwierigkeiten, die eine solche Systemänderung zur Folge hätte. Und schliesslich wollen Pardini & Co die Jungen nicht mehr belasten, aus Angst, sie als Wählende zu verlieren.

Die zweite Säule war von Anfang an eine Fehlkonstruktion der Bürgerlichen. Sie diente der Einbindung des Volkes in die Finanzierung einer Anlagepolitik, die den Immobilienmarkt immer wieder an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Aber warum denn um Himmels Willen stellen sich die Linken wie Winkelriede vor dieses Fehlkonstrukt? Warum verteidigen sie nun auch noch die altersdiskriminierende Altersstaffelung der Pensionskassenbeiträge, nachdem sie ihre Wahlchancen bei den Älteren bereits als Hüter der Personenfreizügigkeit unnötig aufs Spiel setzten?

Einigen Effort kostete es Avenir50pus, die Anliegen zur Sozialhilfe im Manifest 50plus zu verteidigen, als ob es nicht gerade die Aufgabe eines Manifestes wäre, die Anliegen der Gruppe von Erwerbslosen, die das Ende der Kaskade erreicht haben, zu schützen.

Dem Politspektakel fernbleiben kann und darf doch nicht die einzige Alternative bleiben. Oder doch?

Rück- und Ausblick

Rück- und Ausblick

Ein Jahr geht zu Ende, Zeit für einen kurzen Rück- und Ausblick auf das Geschehen rund um die Erwerbslosigkeit im Alter. Die Seco-Statistik der Stellensuchenden weist seit Februar 2017 erstmals einen geringen Rückgang aus. Kein Grund zum Jubeln! Aktuell sind rund 20 000 Personen über 45 mehr auf Stellensuche als 2012. Nicht mitgezählt sind all die Ausgesteuerten. Die Umsetzung des Inländer-Light-Vorrangs, das klägliche Resultat der Umsetzung der MEI, geht nur zögerlich voran. Mitte 2018 soll er erstmals zur Anwendung kommen bei Berufsgruppen, die eine Arbeitslosigkeit von über 8 Prozent ausweisen. Das Prozedere macht deutlich, was Insider schon lange vermuten: Es scheint umstritten, ob die bestehende Seco-Software ein tauglicher Abgleich von Angeboten und Suchenden zulässt. In Diskussion steht eine Neuanschaffung mit Kosten von einigen Millionen Franken. Die veraltete Software ist denn auch dafür verantwortlich, dass die RAV-Behörden, die für ihre Arbeit pro Jahr über 500 Millionen Franken aufwenden, jährlich nur gerade eine Vermittlerquote von 7 bis 10 Prozent ausweisen. Von diesem Versagen lenkte das RAV mit einer Sanktionsquote ab, die im Vergleich zu andern OECD-Ländern die höchste ist. Niemand hat das in der Vergangenheit reklamiert.

Es ist nicht der Skandal um die Paradise-Enthüllungen, die der Strasse Diskussionsstoff bringen. Nein, es sind die Sozialhilfebeziehenden, die IV-Beziehenden und die Flüchtlinge, die Volk und Parlament in Rage versetzen. Mit GPS-Peilsendern sollen diese potentiellen Betrüger Tag und Nacht überwacht werden, um die Sozialwerke um ja kein «Schweizer-Fränkli» zu prellen. So will es der Ständerat, an vordersten Front SVP und CVP-Ständerat Graber. Das Schlimmste wurde abgewendet, indem jetzt zumindest ein richterlicher Beschluss vorliegen muss. Der Fokus richtet sich landauf, landab auf den Abbau bei den Schwächsten. So hat das Berner Parlament, angetrieben durch die SVP-Regierung, kürzlich eine 10-prozentige Kürzung der Leistungen für alle Sozialhilfebeziehenden beschlossen. Auch der Kanton Aargau beabsichtigt einen Leistungsabbau, ein Kanton, bei dem die Vermögensobergrenze für den Bezug von Leistungen schon jetzt bei 1500 Franken liegt. Im Falle eines Todes lassen sich damit nicht einmal die Beisetzungskosten berappen. Das Vermögen von Älteren soll unter die Staatskontrolle. Wer mehr als 10 000 Franken pro Jahr ausgibt, wird später keine Ergänzungsleistungen erhalten. So die Absicht des SP-Bundesrates Berset anlässlich der EL-Gesetzesberatung.

Wie würdelos das doch alles ist für ein reiches Land! Und in wessen Diensten die Sparhysterie erst steht. Je knapper das Fussvolk gehalten wird, desto mehr plagt der Alltagsstress das Überleben. Stress reduziert die Denkfähigkeit und die Kreativität. Das erklärt den unhinterfragten Freiraum des Finanzkasinokapitalismus und das Treiben der Banken. Ungeniert ereifert sich Bankenchef Ermotti in der Öffentlichkeit ob den Lohnobergrenzen für Banken-CEOs, die er als Werk von neidischen Beamten verhöhnt. Vergessen ist offenbar, dass unlängst diese Beamten mit öffentlichen Mitteln die Banken vor dem Zusammenbruch retteten. Er und seine 12-köpfige Geschäftsleitung kassierten 2016 rund 100 Millionen, im Schnitt rund 8 Millionen pro Kopf. In etwa entspricht das dem Jahreseinkommen von über 4 000 Sozialhilfebeziehenden. Oben Bonus-Party, unten verschiebt man Abteilungen nach Biel und Schaffhausen, um die Lohnkosten einzusparen, kommentiert der Inside-Paradeplatz zu Recht. In dieses Klima passt auch der Entscheid des Parlamentes in der Wintersession zur Vollgeld-Initiative. Die Geldschöpfung soll weiterhin den privaten Banken überlassen werden, die mit den Gewinnen die Wetten auf die Vernichtung ganzer Länder finanzieren. Würde man die Hoheit der Geldschöpfung, einzig in die Kompetenz der Nationalbank legen, wie das einst dem Willen des Volkes entsprochen hat, würde dem Staat viel Geld zufliessen.

Und was bringt die Zukunft? Die General Electric plant den Abbau von 1400 Stellen im Aargau. Der Abbau erfolgt in der Schweiz, weil die Schweizer Sozialpläne für Arbeitgeber viel günstiger sind als diejenigen der angrenzenden Länder. Solche Überlegungen haben in der Vergangenheit auch in der Papierindustrie zahlreiche Arbeitsplätze gekostet. Ermotti rechnet aufgrund der Digitalisierung mit dem Verlust von 30 Prozent der 95 000 Arbeitsplätze bei der UBS. Auch die Konkurrenz CS stellt weiteren Stellenabbau in Aussicht. Weder solch düstere Prognosen noch das Szenarium der Alterung der Gesellschaft, noch die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt halten den Bundesrat von seiner rosigen Einschätzung ab. Geht es nach ihm, wird die Zukunft uns sogar zusätzliche Arbeitsplätze bescheren. Was in der Phase der digitalen Aufrüstung durchaus kurzfristig zutreffen kann, wird oder muss sich langfristig ins Gegenteil verkehren. Die Effizienzsteigerung bestehender Märkte kann gar nicht zusätzliche bezahlte Arbeit hervorbringen, genau so wenig, wie sich die Geldmenge unendlich ausdehnen lässt. Die meisten positiven Szenarien vernachlässigen in den Berechnungen den Umstand, dass der Globalisierungsprozess als weitgehend abgeschlossen gilt. Auswege bringen nur Kriege, und die sind gar nicht so weit entfernt.

Prosit neues Jahr! Doch lassen wir uns ob solcher Szenarien nicht erdrücken. Angst ist und war noch nie ein guter Begleiter. Sich unterkriegen lassen wäre ganz im Sinne derjenigen, die oben abkassieren und nach unten die Stiefel einsetzen. Die Kraft zur Veränderung wohnt denjenigen inne, die aus der Liebe schöpfen. Unterstützen wir uns gegenseitig in dieser Fähigkeit und nutzen wir unsere Chancen. In Kooperation mit andern lässt sich viel verändern. Wir als Verband Avenir50plus leben diese Werte und bleiben dran.

Brave Schulmädchenarbeit

«Diskriminierung von Älteren auf dem Arbeitsmarkt.», so das Thema des Podiums, organisiert vom Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte in Bern. Anlass war die Präsentation des Grundrechtskataloges für Ältere, den das Kompetenzzentrum im Auftrag des Bundesrates erarbeitet hat. Das Podium war ohne Ausnahme mit auf dem Arbeitsmarkt Privilegierten bestückt, in der Mehrzahl sogar mit Personen unter 50. Präsident des Arbeitgeberverbandes der Banken, Balz Stückelberger liess die Anwesenden wissen, dass nicht in erster Linie Bildung vor Erwerbslosigkeit im Alter schütze, sondern Kompetenzen. Als wichtigste nannte der die Anpassungsfähigkeit! Die älteren Erwerbslosen durften sich am Ende mit Fragen einbringen. Die Moderatorin liess die Kritik an dieser paternalistischen Debattierkultur nicht gelten. Sie habe sich lange überlegt, ob man Betroffene ins Podium einbinden soll. Doch sie sei zum Schluss gekommen, dass sie alle irgendwie zu den Betroffenen gehörten! Der anschliessende Blick in das präsentierte Büchlein mit dem Titel «Gleiche Rechte im Alter», dass das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt ist, lässt nur eine Ahnung zu: Die Angst, als wissenschaftliche Mitarbeitende einst zu den Betroffenen zu gehören, liess ein Werk entstehen, dass weder Biss noch Nutzen hat. Ja, da hat die Betroffenheit zugeschlagen, in Form von vorauseilendem Gehorsam.

Die Print-Version kann – solange Vorrat – kostenlos bei der Geschäftsstelle des SKMR (Tel. 031 631 86 51 oder skmr@skmr.unibe.ch) bezogen werden.